Zurück Erklärung des Präsidiums des Sachverständigenausschusses anlässlich des 30. Jahrestags der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen

Erklärung des Präsidiums des Sachverständigenausschusses anlässlich des 30. Jahrestags der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen

Am 5. November 1992 unterzeichneten elf Mitgliedstaaten des Europarats in Straßburg die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen, in der Erwägung, dass der Erhalt und die Entwicklung der kulturellen Traditionen und der reichhaltigen Vielfalt Europas vom Schutz seiner Regional- oder Minderheitensprachen abhinge.

Dieses einzigartige Übereinkommen, das 1998 in Kraft trat, vereint 25 Vertragsstaaten und findet Anwendung auf über 80 Regional- oder Minderheitensprachen. Die Charta fördert deren aktiven Gebrauch in den Bereichen Bildung, Justiz, Verwaltung, Medien, Kultur, wirtschaftliches und soziales Leben und in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit.

In ihrem dreißigjährigen Bestehen ist sie zu einem Bezugspunkt in diesem Bereich geworden. Die vom Ministerkomitee und vom Sachverständigenausschuss verabschiedeten Empfehlungen waren Leitlinien für die Vertragsstaaten bei der Umsetzung der Bestimmungen der Charta.

Die vom Sachverständigenausschuss gemachten Beobachtungen während seiner Ortsbesuche in den Vertragsstaaten und die wichtigen Kontakte, die er zu allen Interessengruppen unterhält, gestatten ihm, sich in größtmöglicher Nähe mit den Sorgen und Erwartungen der Sprecher und der kommunalen, regionalen und staatlichen Behörden zu befassen.

In Folge konnten einige Sprachen, deren Aussterben vor nur wenigen Jahren drohte, erfolgreich wiederbelebt werden. Sie sind heute integraler Teil des Lebens der örtlichen Gemeinschaften und des kulturellen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens der Gebiete, in denen sie gesprochen werden. Andere Sprachen haben im Laufe der Zeit durch die Annahme weiterer Charta-Verpflichtungen durch die Vertragsstaaten eine Ausweitung ihres Schutzes erfahren, aber auch durch die Verabschiedung ehrgeizigerer Gesetze auf staatlicher Ebene.

Das System der Charta, als lebendiges Instrument, entwickelt sich nach wie vor weiter und wird immer wieder reformiert. Die 2018 anlässlich des 20. Jahrestags des Inkrafttretens der Charta auf der hochrangigen Konferenz in Straßburg gefassten Entscheidungen haben zu entscheidenden Verbesserungen des Überwachungsverfahrens geführt.

Der Sachverständigenausschuss berücksichtigt ferner in seinen Beurteilungen auch neue Themen, u.a. die Entwicklung künstlicher Intelligenz, neue Technologien und soziale Medien, die sich unmittelbar auf den Schutz und die Förderung der Regional- oder Minderheitensprachen auswirken.

Diese Erfolge sollten jedoch nicht die Tatsache verdecken, dass es nach wie vor viele Herausforderungen gibt. Die Covid-19-Pandemie und die Politisierung sprachbezogener Themen in zu vielen europäischen Staaten erinnern uns daran, dass die erzielten Fortschritte nicht unumkehrbar sind und beständige Wachsamkeit erfordern.

Des Weiteren ist die Teilnahme aller Mitgliedstaaten des Europarats erforderlich, um sicherzustellen, dass Regional- oder Minderheitensprachen in unserem „gemeinsamen Haus“ weiterhin abgesichert, geschützt und gefördert werden. Einundzwanzig Staaten haben die Charta bisher nicht ratifiziert, obwohl manche von ihnen sich dazu verpflichtet haben, als sie dem Europarat beitraten. Diese Staaten, seien sie bereits Unterzeichner oder nicht, sollten aufgefordert werden, die Maßnahmen zu benennen, die sie daran hindern, den Ratifizierungsprozess einzuleiten oder abzuschließen. Mitgliedstaaten, welche die Charta ratifiziert haben, sollten aufgefordert werden, regelmäßig den Umfang ihrer Verpflichtungen zu prüfen und die vollständige Umsetzung ihrer Verpflichtungen sicherzustellen.

Seit 30 Jahren spielt die Charta eine ausschlaggebende Rolle bei der Absicherung unseres sprachlichen Erbes und bei der Förderung und Entwicklung von Mehrsprachigkeit. Durch den Beitrag zur Bildung neuer Generationen mehrsprachiger Europäer fördert sie eine engere Verbindung zwischen den Völkern und verkörpert die Grundsätze und Ziele des Europarats.

5 November 2022
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Sekretariat der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen

Generaldirektion für Demokratie
Europarat
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Kanalstaden 1 quai Jacoutot
F-67075 Straßburg
Telefon: +33 (0)3 90 21 49 36

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