Ormancı und andere gegen Türkei  | 2004

Gesetzesreformen zur Beendigung von Verzögerungen bei Gericht

Jede Person hat ein Recht auf ein faires und öffentliches Verfahren innerhalb einer angemessenen Frist.

Auszug aus Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention

Hintergrund

Hunderte von Beschwerdeführern aus der Türkei wandten sich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, um sich über übermäßig lange Verfahren an türkischen Gerichten zu beschweren.

Eine Beschwerdeführerin war Fatma Ormancı. Ihr Ehemann wurde 1991 getötet, als Terroristen das Dorf Kahramanmaraş angriffen und alle männlichen Bewohner ermordeten.

Zusammen mit den Kindern des Toten reichte Frau Ormancı eine Beschwerde beim Innenministerium ein. Sie behaupteten, der Staat habe seine Verpflichtung verletzt, das Leben und die Sicherheit seiner Bürger zu schützen.

Die Kläger gewannen den Fall. Es dauerte aber nahezu sechs Jahre, bevor sich die Gerichte mit dem Fall befassten.

Urteil des EGMR

Im Fall Ormancı entschied der Gerichtshof, die Klage sei nicht sonderlich komplex und der Fall für die Beschwerdeführerin von großer Bedeutung gewesen. Im vorliegenden Fall hätte das Verfahren zu lange gedauert. Die Verzögerungen hätten das Recht der Beschwerdeführer verletzt, ihren Fall in einer angemessenen Frist zu verhandeln.

Der Gerichtshof stellte fest, Beschwerdeführer in mehr als 280 anderen Fällen seien ebenfalls exzessiv langen Verzögerungen in türkischen Prozessen ausgesetzt gewesen.

Nachbereitung

Eine Reihe wichtiger Änderungen beschleunigten die Rechtsverfahren der türkischen Justiz. Die Reformen betrafen u.a. eine Optimierung der Verfahren, eine Vereinfachung der Regeln und eine Neuorganisation des Kassationsgerichts. Die Reformen betrafen Verwaltungs-, Zivil-, Straf-, Arbeits-, Landregistrierungs-, Militär-, Handels- und Verbrauchergerichte.

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