Im Vorfeld des Weltkindertags am 1. Juni hat der Europarat Leitlinien für politische Entscheidungsträger zur Beteiligung von Opfern und Betroffenen von sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch in der Kindheit – „Nichts über uns ohne uns“ veröffentlicht. Diese Initiative steht im Einklang mit dem Zweck des Tages, nämlich die Rechte von Kindern und ihr Wohl zu fördern und zu feiern und sich den Herausforderungen zu stellen, mit denen sie konfrontiert sind.
Die Zusammenarbeit mit Menschen, die in ihrer Kindheit sexuelle Ausbeutung und sexuellen Missbrauch erlebt haben (Opfer und Betroffene), ist entscheidend, um einen ganzheitlichen und faktengestützten Ansatz für rechtliche und politische Reformen zur wirksamen Verhütung von sexueller Gewalt und der entsprechenden Reaktion darauf zu gewährleisten. Eine derartige Beteiligung sollte sicher und konstruktiv sein und einen Raum für den Dialog schaffen.
In den Leitlinien werden einige wichtige Grundsätze und Maßnahmen benannt, die politische Entscheidungsträger befolgen können, um den Bedürfnissen von Opfern und Betroffenen in diesem Prozess gerecht zu werden.
Um konstruktiv zu sein, sollte die Zusammenarbeit:
- trauma-informiert sein: Diejenigen, die den Dialog einleiten, sollten sich der Prävalenz von Traumata bewusst sein, ihre Auswirkungen verstehen und aktiv versuchen, eine Retraumatisierung zu vermeiden;
- die Selbstbestimmung der Beteiligten wahren: Es sollte eine freiwillige und kontinuierliche Einwilligung angestrebt werden; die Beteiligten müssen das Recht haben, anonym zu bleiben und darüber zu entscheiden, wie auf ihre Beiträge Bezug genommen wird;
- die beteiligten Opfer und Betroffenen stärken und wertschätzen: Es sollte eine Entschädigung für die Beteiligung am Prozess vorgesehen sein, die Barrierefreiheit in Bezug auf den Sprachgebrauch und andere Hindernisse sichergestellt und die Transparenz der Ergebnisse garantiert werden;
- Gleichstellung gewährleisten: Persönliche Merkmale, sozioökonomischer Status und geografische Vielfalt sollten gebührend berücksichtigt werden.
Durch die Einbeziehung der Stimmen der Opfer und Betroffenen tragen die neuen Leitlinien dazu bei, allgemein das Bewusstsein für sexuelle Ausbeutung und sexuellen Missbrauch von Kindern und das entsprechende Verständnis zu stärken und die Stigmatisierung, der Opfer und Betroffene ausgesetzt sind, zu verringern.
Die neuen Leitlinien wurden von zwei namhaften Betroffenen-Aktivistinnen, Prof. S. Caroline Taylor und Sophie Otiende, entwickelt, die über umfangreiche Erfahrung bei der Beteiligung von Opfern und Betroffenen an der Politikgestaltung verfügen.
„Sexuelle Gewalt an Kindern und sexuelle Ausbeutung von Kindern sind auf der ganzen Welt ein dringendes und anhaltendes Problem. Eine echte und strategische Zusammenarbeit mit Fürsprechern von Betroffenen bei der Entwicklung, Gestaltung und Umsetzung von Politik, Gesetzgebung und Programmen ist der Schlüssel zur Ausrottung dieser abscheulichen Verbrechen an Kindern. Betroffenen-Aktivistinnen und -Aktivisten verfügen über eine Vielzahl unterschiedlicher beruflicher Fähigkeiten und Lebenserfahrungen, welche die Gestaltung von Politik und Programmen verbessern und das Vertrauen von Betroffenen in die breitere Gesellschaft stärken können“, stellten die Verfasserinnen anlässlich der Veröffentlichung der Leitlinien fest.
Die Leitlinien sind ein unmittelbares Ergebnis des Europäischen Tags zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch 2023, der unter dem Motto „Von Opfern und Betroffenen von sexueller Gewalt in der Kindheit lernen, um politische Veränderungen anzuregen“ stand.
Die Leitlinien wurden nicht für die Arbeit mit Kindern unter 18 Jahren konzipiert. Bei der Arbeit mit dieser Altersgruppe zum Thema sexuelle Ausbeutung und sexueller Missbrauch von Kindern müssen besondere Schutzmaßnahmen ergriffen werden (siehe Ressourcen zur Beteiligung von Kindern).