Der 25. Jahrestag des Inkrafttretens des Zusatzprotokolls zur Europäischen Sozialcharta über Kollektivbeschwerden (SEV Nr. 158) war Anlass für eine Veranstaltung der Abteilung für soziale Rechte des Europarates. Führende Vertreterinnen und Vertreter von Regierungen, Sozialpartnern, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und nationalen und internationalen Gremien diskutierten über die Bedeutung dieses Verfahrens für den wirksamen Schutz sozialer Rechte in Europa.
In seiner Eröffnungsrede betonte der Stellvertretende Generalsekretär des Europarates, Bjørn Berge,die Bedeutung der sozialen Rechte als Grundlage für eine Gesellschaft mit Anstand und Menschenwürde. „Ein Kollektivbeschwerdeverfahren wurde entwickelt, um den sozialen Rechten auf unserem Kontinent größere Geltung zu verschaffen. Und das Verfahren hat sich bewährt: körperliche Züchtigung von Kindern wurde in einer Reihe von Ländern gesetzlich verboten, homophobe Formulierungen wurden aus den Lehrplänen der Schulen gestrichen, und die Chancengleichheit der Geschlechter, nicht zuletzt die gleiche Bezahlung von Männern und Frauen, wurde verbessert. Und die Erfahrung zeigt, dass Beschwerden von Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Organisationen erst nach eingehender Prüfung eingereicht werden, ganz im Sinne der Verfahrensbestimmungen”.
Menschenrechtskommissarin Dunja Mijatović erklärte dazu: „In einer Zeit, in der ich bei meiner täglichen Arbeit das Ausmaß der Herausforderungen im Bereich der sozialen Rechte in Europa sehe, kann ich nur wiederholen, dass es für Selbstgefälligkeit weder Zeit noch Anlass gibt. Und die Mitgliedstaaten müssen zu ihren Versprechungen stehen, die sozialen Rechte nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten zu verteidigen.”
„Die Europäische Sozialcharta hat wichtige EU-Instrumente wie die EU-Grundrechtecharta und die Europäische Säule sozialer Rechte maßgeblich inspiriert. Darüber hinaus müssen alle Maßnahmen der EU in den sozialpolitischen Belangen ihrer Verträge die in der Europäischen Sozialcharta garantierten sozialen Grundrechte berücksichtigen", so der EU-Sonderbeauftragte für Menschenrechte, Eamon Gilmore.
Die Vorsitzende des Europäischen Ausschusses für soziale Rechte - ECSR, Aoife Nolan, betonte ihrerseits: „Der wahre Beweis für den Wert eines Systems liegt in seinen Auswirkungen in der Praxis. Die Charta ist ein rechtsverbindlicher völkerrechtlicher Vertrag. Und der Europäische Ausschuss für soziale Rechte als Vertragsorgan ist allein für die rechtliche Bewertung der Einhaltung der Charta durch die Staaten zuständig.”
Die Europäische Sozialcharta ist ein Vertrag des Europarates, der grundlegende soziale und wirtschaftliche Rechte garantiert, und als solcher das Gegenstück zur Europäischen Menschenrechtskonvention, welche die bürgerlichen und politischen Rechte garantiert. Die Sozialcharta steht für ein breites Spektrum an Alltags- und Menschenrechten aus den Bereichen Beschäftigung, Wohnung und Unterkunft, Gesundheit, Bildung, Sozialschutz und Sozialhilfe.
Auf´die Eröffnung folgten zwei getrennte Diskussionsrunden: die erste befasste sich eingehend mit den Zielen und der Funktionsweise des Beschwerdeverfahrens, und die zweite konzentrierte sich auf seine Auswirkungen und die wichtigsten Herausforderungen bei seiner praktischen Anwendung.
Die Abteilung für soziale Rechte präsentierte auch ein Video, in dem der positive Beitrag des kollektiven Beschwerdeverfahrens als Schlüsselinstrument demokratischer Regierungsführung erläutert wird.
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