Am 3. April 2022 haben in Serbien Präsidentschafts- und vorgezogene Parlamentswahlen stattgefunden, die von internationalen Beobachtern, einschließlich der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, beobachtet wurden. Am selben Tag wurden in Belgrad und 12 weiteren Städten Kommunalwahlen abgehalten, zu denen der Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarates Beobachter entsandte.
Die Grundfreiheiten wurden bei den Präsidentschafts- und vorgezogenen Parlamentswahlen, die am 3. April in Serbien stattfanden, weitgehend geachtet, so die internationalen Beobachter, darunter die Parlamentarische Versammlung, in einer Erklärung. Den Wählerinnen und Wählern sei ein vielfältiges Angebot an politischen Optionen zur Verfügung gestanden, einige Mängel hätten allerdings zu ungleichen Wettbewerbsvoraussetzungen geführt, die den bisher Regierenden zugutegekommen seien, erklärten die Beobachter. Das Zusammenspiel von unausgewogenem Medienzugang, ungebührlichem Druck auf Beschäftigte des öffentlichen Diensts, die Amtsinhaber zu unterstützen, erheblichen Unterschieden der Wahlkampffinanzierung und Missbrauch staatlicher Ressourcen hatte laut der Erklärung ungleiche Bedingungen zur Folge.
Aktuelle Gesetzesänderungen, die nach einem umfassenden Dialog zwischen den regierenden Parteien und Teilen der Opposition verabschiedet wurden, enthielten einige begrüßenswerte Verbesserungen, doch bei bestimmten Schlüsselaspekten des Wahlverfahrens sind der Erklärung zufolge weitere Reformen und die Umsetzung der Bestimmungen nötig. Zwar seien alle Wettbewerber Gegenstand von Medienberichterstattung gewesen, gleichwohl habe der Großteil der öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunkanstalten mit landesweiter Präsenz den bisherigen Präsidenten und die Regierungskoalition bevorzugt, wodurch die Möglichkeit der Wählerinnen und Wähler, eine umfassend fundierte Entscheidung zu treffen, begrenzt gewesen sei.
Die internationalen Beobachter weisen zudem darauf hin, dass die Wahlen vor dem Hintergrund einer starken Polarisierung zwischen der Regierungskoalition und Oppositionsparteien stattfanden, die verdeutlicht wird durch den Boykott der Parlamentswahl 2020 durch die Opposition und zahlreiche Protestkundgebungen zwischen Juli 2020 und Januar 2022.
„Der sich wiederholende Zyklus vorgezogener Parlamentswahlen führte zu einer regelrechten ‚Kultur‘ vorgezogener Wahlen, die das effiziente Funktionieren des Parlaments beeinträchtigt, unabhängig davon, welche politische Kraft an der Macht ist“, erklärte der Leiter der Delegation der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, Aleksander Pociej. „Es ist bedauerlich, dass die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt und die meisten Medien nicht ausgewogen über den Wahlkampf berichtet haben.“
Im Hinblick auf die Kommunalwahlen, die am selben Tag in Belgrad und weiteren Städten stattfanden, empfahl die 15-köpfige Delegation des Kongresses der Gemeinden und Regionen des Europarates in ihrer Erklärung, Kommunalwahlen nicht gleichzeitig mit Wahlen auf nationaler Ebene abzuhalten, damit Präsidentschafts- oder Parlamentswahlen nicht lokale Themen überschatten.
Am Wahltag besuchten sieben Kongressteams Belgrad, Aranđelovac, Smederevska Palanka, Kula und Sečanj, um die Vorgänge in rund hundert Wahllokalen vom Öffnen bis zum Schließen zu beobachten. Mit Ausnahme einiger Unstimmigkeiten und Unregelmäßigkeiten lief die Wahl insgesamt ruhig ab und wurde von den Wahlkommissionen in den Lokalen auf der Grundlage eines Rechtsrahmens abgewickelt, der als im Großen und Ganzen den internationalen Normen entsprechend anzusehen ist.
Die Leiterin der Kongressdelegation, Carla Dejonghe (Belgien), wies allerdings auf einige Probleme hin, die bereits 2016 festgestellt wurden. Aufgrund der ständigen und erweiterten Zusammensetzung der Wahlkommissionen waren die Lokale häufig überfüllt, während die Mindestpräsenz ständiger Mitglieder nicht immer gewährleistet war. Sie rief die serbischen Behörden auf, die Verwaltung der Wahllokale zu optimieren und gleichzeitig die transparente Kontrolle der Wahlen durch Beobachter der Parteien sicherzustellen. Zudem forderte die Delegationsleiterin eine professionellere Schulung der Wahlhelfer. Um die Wahrung des Wahlgeheimnisses zu verbessern, sollten echte Wahlkabinen anstelle von Kartonabtrennungen eingeführt werden. Die Wahllokale sollten zudem für Menschen mit Behinderung besser zugänglich sein, betonte Dejonghe.
Die Kongressdelegation beobachtete mehrere Situationen, in denen Wählende mit an Verstorbene adressierten Wahlkarten in die Wahllokale kamen. „Die Präsenz von sogenannten Phantomwählern auf den Wählerlisten untergräbt weiterhin das Vertrauen der Öffentlichkeit in Wahlen und die Demokratie“, warnte Dejonghe und rief zu einer unabhängigen Prüfung der Wählerlisten und besseren Koordination zwischen den für die Aktualisierung des Personenstands zuständigen Behörden auf.
Da in Belgrad und 12 weiteren Kommunen drei Wahlen gleichzeitig stattfanden, war die Beteiligung an einigen Orten hoch und führte zu langen Warteschlangen, besonders vor der Schließung der Wahllokale. „Künftig sollte man es vermeiden, gleichzeitig Wahlen auf verschiedenen Ebenen abzuhalten. Der kommunalen und regionalen Selbstverwaltung sollte ein eigener Wahltag gewidmet werden, damit Präsidentschafts- oder Parlamentswahlen nicht lokale Themen überschatten“, betonte Dejonghe.