Im Mittelpunkt eines neuen Berichts der Expertengruppe des Europarates für die Bekämpfung des Menschenhandels (GRETA) steht der Zugang von Menschenhandelsopfern in Kroatien zur Justiz und zu wirksamen Rechtsbehelfen. Die GRETA begrüßt die Maßnahmen, die Kroatien infolge ihres vorherigen, 2016 veröffentlichten Berichts ergriffen hat, um die juristischen und politischen Rahmenbedingungen zur Bekämpfung von Menschenhandel weiterzuentwickeln. Einige der Empfehlungen der GRETA hat das Land umgesetzt, etwa die Integration des Arbeitsinspektorats in die Nationale Kommission gegen Menschenhandel und in deren Einsatzgruppe sowie die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für Kinderhandelsrisiken.
Allerdings stellt die GRETA mit Sorge fest, dass die Polizei nicht alle Beschwerden über mutmaßliche Fälle von Menschenhandel ernst nimmt. Die kroatischen Behörden müssen der GRETA zufolge sicherstellen, dass in Menschenhandelsfällen umgehend ermittelt wird und wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen die Folge sind. Bei Menschenhandel dürfe es nur ausnahmsweise und vorbehaltlich angemessener Garantien zur Verständigung im Strafverfahren kommen.
In dem Bericht wird die am 25. Juni 2020 veröffentlichte Entscheidung der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Fall S. M. gegen Kroatien erwähnt, in welcher der Beschwerdeführerin recht gegeben wurde. Diese brachte die Beschwerde ein, nachdem sie angezeigt hatte, dass man sie zur Prostitution gezwungen hatte, und die Behörden nicht angemessen darauf reagiert hatten. Der Gerichtshof stellte fest, dass die Behörden weder alle Umstände ermittelt noch berücksichtigt hatten, dass sich das psychische Trauma möglicherweise auf die Fähigkeit der Beschwerdeführerin auswirkt, ihre Ausbeutung auf klare Weise zu schildern. Sie hatte zudem keine angemessene Hilfe und Unterstützung erhalten, um ihre Angst und den Druck zu lindern, die sie bei der Aussage gegen den Täter, einen früheren Polizisten, empfand.
Die GRETA fordert die kroatischen Behörden dringend dazu auf, bei allen Akteuren des Strafrechtssystems das Bewusstsein für die Möglichkeiten zu schärfen, die Reviktimisierung und Stigmatisierung von Menschenhandelsopfern ebenso zu vermeiden wie ihre wiederholte und langwierige Befragung.
Kroatien ist ein Ursprungs-, Transit- und Zielland für Menschenhandel. Laut Statistik des Innenministeriums wurden im Jahr 2015 38 Opfer identifiziert, im Jahr 2016 30, im Jahr 2017 29, im Jahr 2018 76 und im Jahr 2019 27 (das heißt insgesamt 200 Opfer in diesem Zeitraum). Mehr als die Hälfte der Opfer waren Frauen, ein Viertel waren Kinder. Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung von Frauen und Mädchen ist weiterhin die Hauptform von Menschenhandel in Kroatien, doch in dem Bericht wird ein Anstieg des Menschenhandels zum Zwecke der Ausbeutung der Arbeitskraft, der hauptsächlich Männer betrifft, festgestellt. Die Zahl nichtkroatischer Opfer ist im Laufe der Jahre gestiegen und betrug im Zeitraum 2015 bis 2019 86 Personen.