Zurück Wirksamkeit und Qualität der Justiz in Europa: Europarat veröffentlicht diesjährigen Bericht

Wirksamkeit und Qualität der Justiz in Europa: Europarat veröffentlicht diesjährigen Bericht

Die Europäische Kommission für die Wirksamkeit der Justiz (CEPEJ) – ein Organ des Europarates – hat in einem Bericht, Länderprofilen und einer interaktiven Datenbank (alle öffentlich zugänglich) die wichtigsten Entwicklungen im Justizwesen von 44 europäischen Ländern und 3 Beobachterstaaten* dargestellt. Der Bewertungsbericht ist der zehnte seit der Gründung der CEPEJ im Jahr 2002 und zeigt insbesondere diese Entwicklungen:

Im Hinblick auf die der Justiz gewidmeten Haushaltsmittel:

  • Zwischen 2010 und 2020 war in den Staaten ein beständiges, aber ungleiches Wachstum zu beobachten; 2020 wendeten sie durchschnittlich 79 Euro pro Einwohner für die Justiz auf (das sind 7 Euro mehr als 2018).
  • 66 % dieser Haushaltsmittel wurden den Gerichten zugewiesen, 24,5 % den Staatsanwaltschaften und 9,5 % wurden für Prozesskostenhilfe aufgewendet.
  • Das größte prozentuelle Wachstum (durchschnittlich 12 %) wurde zwischen 2018 und 2020 im Haushalt der Staatsanwaltschaften verzeichnet.
  • Die zunehmende Entwicklung zur Auslagerung bestimmter Dienstleistungen hat sich 2020 fortgesetzt.
  • Die osteuropäischen Länder wenden anteilsmäßig mehr für die Staatsanwaltschaften auf, während nordeuropäische Länder und jene, in denen das „Common Law“ vorherrscht, verhältnismäßig mehr in Prozesskostenhilfe investieren.
  • Im Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Rechtsprechung des Gerichtshofs verfügen alle Länder über ein System der Prozesskostenhilfe für strafrechtliche und andere Fälle, um allen den Zugang zur Justiz zu gewährleisten.

Im Hinblick auf Angehörige der Justizberufe und die Gerichte:

  • Die Zahl der Berufsrichterinnen und -richter hat in den untersuchten Mitgliedsstaaten und Verwaltungseinheiten leicht zugenommen (auf durchschnittlich 22,2 pro 100.000 Einwohner), allerdings mit deutlichen Unterschieden zwischen den einzelnen Staaten und Einheiten, die sich teilweise durch die Vielfalt der Justizorganisationen, geografische Faktoren und/oder die Entwicklung der europäischen Rechtssysteme erklären lassen.
  • Seit mehreren Jahren übersteigt die Zahl der Richterinnen bzw. Staatsanwältinnen jene der Richter bzw. Staatsanwälte. Gleichzeitig ist die gläserne Decke, das heißt die Unterrepräsentation von Frauen in Führungspositionen, weiter vorhanden. Allerdings sind einige positive Entwicklungen und Beispiele zu verzeichnen, die darauf abzielen, die Laufbahn von Frauen zu erleichtern und das Geschlechtergleichgewicht in den oberen Justizfunktionen zu fördern. In der europäischen Rechtsanwaltschaft sind Männer weiter in der Mehrheit, doch sind auch hier Tendenzen zugunsten der Frauen erkennbar. Die Zahl der Anwältinnen und Anwälte nimmt in Europa weiter zu (2020 waren es durchschnittlich 172 pro 100.000 Einwohner), die Dichte an Anwältinnen und Anwälten ist indes von Land zu Land stark unterschiedlich.
  • Der Quotient zwischen dem Gehalt von Richterinnen und Richtern und dem Durchschnittsgehalt in den Staaten unterscheidet sich in Europa stark: von 1,0/1,7 in Deutschland (zu Beginn/am Ende der Laufbahn) bis 6,8/21,6 in der Ukraine (zu Beginn/am Ende der Laufbahn). Ähnliches gilt für Staatsanwältinnen und -anwälte: von 0,8 in Irland bis 4,1 in Albanien zu Beginn der Laufbahn und von 1,7 in Deutschland und Luxemburg bis 7,8 in Georgien am Ende der Laufbahn. Im Allgemeinen und aus diversen Gründen ist das Gehalt von Staatsanwältinnen und -anwälten geringer als jenes von Richterinnen und Richtern.
  • Zwischen 2010 und 2020 ist die Zahl der Gerichte in Europa gesunken. Die Spezialisierung der Gerichte blieb eine starke Tendenz, auch wenn sie sich 2020 verlangsamte.

Im Hinblick auf die Nutzerinnen und Nutzer der Justiz:

  • Die Coronavirus-Pandemie hat die zentrale Position der Nutzerinnen und Nutzer im Justizwesen gestärkt, was neue Schwierigkeiten hinsichtlich des Zugangs zur Justiz, neue Wege der Kommunikation und Erbringung von Justizdienstleistungen sowie die Beschleunigung der Digitalisierung der Justiz impliziert.
  • Immer mehr Staaten passen einschlägige Informationen an die verschiedenen Kategorien von Nutzerinnen und Nutzern an, insbesondere die am stärksten gefährdeten.
  • Es sollten mehr Ressourcen und mehr Personal eingesetzt werden, um die Kommunikation mit den Nutzerinnen und Nutzern der Justiz zu optimieren und so den Zugang zur Justiz sowie das Vertrauen in das Justizwesen weiter zu verbessern.
  • Daten über die Zufriedenheit der Nutzerinnen und Nutzer von Gerichten können dazu dienen, bessere und effizientere Justizdienstleistungen zu gewährleisten und um Lösungen zur Steigerung der Legitimität des Justizwesens zu erarbeiten.

Im Hinblick auf Informations- und Kommunikationstechnik (IKT):

  • Die Mitgliedsstaaten des Europarates und Verwaltungseinheiten setzen zunehmend IKT zur Unterstützung der Tätigkeit der Justiz ein und wenden im Vergleich zu den vergangenen Jahren einen höheren Prozentanteil des Haushalts der Gerichte für die Informatisierung auf.
  • Die Probleme im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie boten die Gelegenheit, das Potenzial der IKT für die Kommunikation und Übermittlung juristischer Dokumente in größerem Maßstab und höherem Tempo zu testen. Dies erforderte zahlreiche Anpassungen, um ein Gleichgewicht zwischen den praktischen Vorteilen der Telekommunikation und der Notwendigkeit der Achtung der Grundwerte der Justiz herzustellen. Es galt, Gleichstellung, Transparenz und Rechenschaftspflicht zu garantieren, Verfahrensmissbrauch zu verhindern und die Gefahr der Beschädigung der menschlichen und symbolischen Gesichter der Justiz zu vermeiden.

Im Hinblick auf die Arbeitsleistung der Justiz:

  • Aufgrund der coronabedingten Einschränkungen hatten die Gerichte in ganz Europa selbst bei der Ausübung von Routinetätigkeiten Probleme. Allerdings waren die Auswirkungen nicht überall gleich, da die Staaten und Verwaltungen verschiedene innovative Maßnahmen ergriffen, um die Folgen von Covid-19 zu mildern.
  • Gerichte erster Instanz waren von der Pandemie am stärksten betroffen. Jene der zweiten und dritten Instanz erwiesen sich als effizienter, auch wenn ihre Ergebnisse weniger zufriedenstellend als 2018 waren.
  • Die Gerichte scheinen strafrechtliche Fälle am raschesten zu erledigen, während sie in verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten als am wenigsten effizient wahrgenommen werden.
  • In der Mehrheit der Staaten und Verwaltungseinheiten verbesserten die Staatsanwaltschaften ihre Ergebnisse, vermutlich aufgrund der geringeren Zahl neuer Fälle, die vor allem auf pandemiebedingte Maßnahmen zurückzuführen war.
  • Die Zahl neuer Fälle im Zusammenhang mit Asylsuchenden und dem Aufenthaltsrecht von Ausländern ist 2020 gesunken, blieb aber auf hohem Niveau.

* Von den 46 Mitgliedsstaaten des Europarates waren nur Liechtenstein und San Marino nicht in der Lage, Daten zu übermitteln. Israel, Marokko und Kasachstan nahmen als Beobachterstaaten der CEPEJ an der Erhebung teil.


 Press release

CEPEJ Strassburg 5. Oktober 2022
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