„Um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern, sollten die Behörden Estlands Frauen besser vor Gewalt schützen, das geschlechtsspezifische Lohngefälle beseitigen und die Rechte älterer Menschen wahren“, so die Menschenrechtskommissarin des Europarates, Dunja Mijatović, bei der heutigen Veröffentlichung des Berichts über ihren Besuch in Estland im Juni dieses Jahres.
Zwar stellt die Kommissarin fest, dass Gesetze und Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter verabschiedet und diesbezüglich beträchtliche Fortschritte erzielt wurden, gleichwohl unterstreicht sie, dass weiter Handlungsbedarf besteht, um bestehende Geschlechterstereotype und sexistische Vorurteile über die traditionellen Rollen von Frauen und Männern in der Gesellschaft zu bekämpfen. „Die Behörden sollten ihre Bemühungen verstärken, um das Bewusstsein für die negativen Auswirkungen der strukturellen Ungleichheit zwischen Frauen und Männern zu erhöhen. Das Bildungssystem sollte in der Lage sein, die Gleichstellung der Geschlechter im ganzen Land zu fördern“, erklärte Mijatović. Sie fordert die Behörden überdies zu umfassenden Maßnahmen auf, um das beträchtliche, auf vielfältigen Faktoren beruhende Lohngefälle zwischen Frau und Mann auszugleichen.
Gewalt gegen Frauen bleibt in Estland eine weitverbreitete Menschenrechtsverletzung. Die Kommissarin begrüßt, dass Estland das Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) ratifiziert hat, gleichzeitig empfiehlt sie, die Öffentlichkeitskampagnen gegen geschlechtsspezifische und häusliche Gewalt fortzusetzen und zu gewährleisten, dass die Ermittlungs- und Justizbehörden angemessen auf diese Form der Gewalt reagieren. Diesbezüglich rät Mijatović, das Polizei- und Justizpersonal weiterhin zu schulen und die rechtliche Unterstützung der Opfer zu stärken. Außerdem sollten sich ihrer Ansicht nach spezialisierte Staatsanwalts- und Richterteams mit Fällen geschlechtsspezifischer Gewalt befassen.
Estland steht zudem vor der dringenden Aufgabe, sich mit den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen der raschen Bevölkerungsalterung zu befassen, und zwar auf eine Weise, bei der die Rechte älterer Menschen in vollem Umfang gewahrt bleiben. Die Kommissarin empfiehlt den Behörden, eine umfassende Strategie für die ältere Generation auszuarbeiten. Insbesondere sollte der Rechtsrahmen zur Bekämpfung von Diskriminierung in allen Lebensbereichen gestärkt werden. Dabei sollte gewährleistet sein, dass sich ältere Menschen ihrer Rechte bewusst sind, damit sie diese auch einfordern können. Mithilfe von Sensibilisierungskampagnen sollten Vorurteile gegen ältere Menschen und diesbezügliche Diskriminierung und Stereotype bekämpft werden. „Besonders besorgt bin ich über die sehr hohe Armutsrate unter älteren Menschen in Estland. Die Behörden müssen sicherstellen, dass ältere Menschen würdig leben und ihre Menschenrechte auf Schutz der Gesundheit, ausreichende Ernährung und angemessene Lebensverhältnisse wahrnehmen können, etwa durch die Anhebung der sozialen Mindestsicherung, die derzeit unzureichend ist“, erklärte die Kommissarin.