Am 5. Mai begehen wir den 72. Jahrestag der Gründung des Europarates – der wichtigsten internationalen Organisation Europas für den Schutz von Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Durch die Europäische Menschenrechtskonvention und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bietet er einen gemeinsamen Rechtsraum, der 47 Mitgliedsstaaten mit 830 Millionen Menschen umfasst. Er legt die weltweit höchsten Menschenrechtsstandards fest, und dies gilt es zu würdigen.
Außerdem jährt es sich in diesem Jahr zum 70. Mal, dass Deutschland vollständiges Mitglied des Europarates wurde. Nach dem Holocaust und dem verheerenden Krieg, der von Deutschland ausging, war dies ein bemerkenswerter Akt der Versöhnung. Die Gründungsmitglieder des Europarates boten der jungen Bundesrepublik die Gelegenheit, auf Augenhöhe mit ihren Nachbarn zu sein und zum Aufbau eines neuen Europas beizutragen, das fest auf multilateraler Zusammenarbeit und auf Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit beruht. Heute sind diese Kernprinzipien des Europarates aktueller denn je.
Alle Menschen in Europa haben Zugang zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Der Gerichtshof gewährleistet die Achtung der Europäischen Menschenrechtskonvention, deren Vertragsstaat jeder Mitgliedstaat ist, und setzt sie durch. Darum ist die Umsetzung der Urteile des Gerichtshofs so wichtig; der deutsche Vorsitz des Europarates hat sie auch zu einer ihrer Prioritäten erklärt. Außerdem setzen wir uns weiterhin entschlossen für die Rechte von Minderheiten und die Teilhabe junger Menschen an der Gesellschaft ein. Ihre Stimme muss gehört werden.
In Krisenzeiten sind es oft die am stärksten Benachteiligten, die am meisten unter der Situation leiden. Die Pandemie hat die Lage für die Opfer häuslicher Gewalt noch verschlechtert. Die Istanbulkonvention dient uns als Instrument zum Schutz von Frauen und Kindern. Wenige Tage vor dem 10. Jahrestag der Istanbulkonvention am 11. Mai fordern wir die Mitgliedsstaaten dringend auf, für jene einzutreten, die oftmals ausgegrenzt und vernachlässigt werden.
Der rasche Fortschritt der Technik führt zu neuen Fragen im Hinblick auf die Menschenrechte, die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit. Hassrede im Internet kann die Grundlage untergraben, auf der die Demokratie gründet. Der Europarat bereitet derzeit eine Empfehlung für den umfassenden Umgang mit Hassrede, einschließlich Online-Hassrede, aus einer menschenrechtlichen Perspektive vor. Er arbeitet an europäischen Rechtsnormen zu künstlicher Intelligenz, welche die Menschenrechte auch in der Digitalwelt gewährleisten sollen.
Der deutsche Vorsitz im Ministerkomitee setzt sich dafür ein, die Arbeit des Europarates auf all diesen Gebieten voranzubringen. Der erzielte Fortschritt und die Arbeit, die im Rahmen des kommenden Vorsitzes weitergeführt werden muss, werden im Mittelpunkt der Gespräche des Treffens der Außenministerinnen und Außenminister am 21. Mai in Hamburg stehen.
Wir werden weiterhin zusammen an einer guten Zukunft für alle Menschen in Europa arbeiten.