In ihrem ersten Bewertungsbericht (Basisbericht) über Island begrüßt die Expertengruppe des Europarates für die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (GREVIO) die umfassende Arbeit, die in den letzten Jahrzehnten zur Förderung von Frauenrechten und der Gleichstellung der Geschlechter durch Aktionspläne, legislative Maßnahmen sowie zahlreiche vielversprechende Praktiken geleistet wurde.
Dazu zählen die Einführung einer einwilligungsbasierten Definition von Vergewaltigung und sexueller Gewalt, die Schaffung eines eigenständigen Straftatbestands der Gewalt in einer engen Beziehung sowie das Gesetz zum Schutz der sexuellen Privatsphäre, einschließlich Bestimmungen zur Bekämpfung sexueller Gewalt im Internet. Island nimmt auch eine Vorreiterrolle beim Unterricht über Geschlechtergleichstellung im Bildungswesen sowie eine führende Rolle bei der Verringerung des Lohngefälles zwischen den Geschlechtern ein. Die GREVIO beglückwünscht die Behörden zur Einrichtung von „One-Stop-Shop-Modellen“ für Kinder (Barnahus) und Familienjustizzentren für Erwachsene (Bjarkarhlíð and Bjarmahlíð), welche umfassende Dienste für Opfer sexueller und häuslicher Gewalt unter einem Dach anbieten.
Allerdings stellt die GREVIO fest, dass in einigen Bereichen weitere Anstrengungen erforderlich sind, um die Umsetzung des Übereinkommens des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) zu gewährleisten.
Die GREVIO fordert die isländischen Behörden dringend auf, eine Hotline einzurichten, die rund um die Uhr erreichbar ist, die Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen, die spezialisierte Unterstützungsdienste bereitstellen, sicherzustellen und ein nationales Koordinierungsorgan für die Umsetzung, Überwachung und Bewertung der ergriffenen Strategien und Maßnahmen zu bestimmen.
Darüber hinaus haben die isländischen Behörden laut der GREVIO ihre Aufmerksamkeit auf Opfer sexueller Gewalt, sexueller Belästigung und häuslicher Gewalt gerichtet, während weibliche Opfer anderer Formen von Gewalt, wie Stalking, Verbrechen im Zusammenhang mit der „Ehre“, Zwangssterilisation, Zwangsheirat und Genitalverstümmelung, zu wenig Aufmerksamkeit erhalten haben. Migrantinnen, Frauen mit Behinderungen, Frauen in der Prostitution oder mit Suchterkrankungen werden im derzeitigen Dienstleistungssystem nicht immer berücksichtigt.
Die GREVIO führte vom 28. März bis 1. April 2022 einen Bewertungsbesuch in Island durch.