Beim Gipfeltreffen des Europarates in Reykjavik, Island, haben die Staats- und Regierungschefs der 46 Mitgliedsstaaten der Organisation als ersten Schritt für einen internationalen Entschädigungsmechanismus die Einrichtung eines Schadensregisters infolge der Aggression der Russischen Föderation beschlossen. Die Staats- und Regierungschefs einigten sich auf die Stärkung des Europarates und seiner Arbeit für die Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit durch die Verabschiedung einer Erklärung über Demokratie-Grundsätze, ein erneutes Bekenntnis zur Europäischen Menschenrechtskonvention und die Entwicklung eines Instrumentariums für den Umgang mit aktuellen Fragen in den Bereichen Technologie und Umweltschutz.
Einigung über Schadensregister für die Ukraine
Die Mitgliedsstaaten des Europarates sowie mehrere Nichtmitgliedsstaaten, darunter Kanada, Japan und die Vereinigten Staaten, sowie die Europäische Union (*) haben sich auf die Einrichtung eines Schadensregisters im Zusammenhang mit Russlands Aggressionskrieg gegen die Ukraine geeinigt. Das Register ist als erster Bestandteil eines künftigen Entschädigungsmechanismus gedacht und soll zur Erfassung von Nachweisen und Informationen zu entsprechenden Ansprüchen im Hinblick auf Schäden, Verluste und Verletzungen dienen, die den betroffenen natürlichen und juristischen Personen sowie dem ukrainischen Staat seit dem 24. Februar 2022 zugefügt wurden. Die Staats- und Regierungschefs brachten ihre Bereitschaft zum Ausdruck, sich an internationalen Initiativen zu beteiligen, um einen derartigen Mechanismus weiterzuentwickeln, der eine Kommission für die Prüfung von Schadenersatzansprüchen und einen Entschädigungsfonds umfassen kann, und unterstrichen die Verpflichtung der Russischen Föderation, für die durch ihren Aggressionskrieg verursachten Schäden aufzukommen.
Die Staats- und Regierungschefs begrüßten auch die Fortschritte bei der Einrichtung eines Sondergerichts für das Verbrechen der Aggression und boten die Unterstützung des Europarates bei dem Prozess an. Sie forderten die Russische Föderation auf, unverzüglich alle Zivilpersonen freizulassen, die gewaltsam auf ihr Hoheitsgebiet oder in vorübergehend besetzte Gebiete überführt wurden oder widerrechtlich dorthin deportiert wurden, insbesondere Kinder. Die Russische Föderation sollte ihre internationalen Verpflichtungen einhalten und ihre Streitkräfte aus der Ukraine, Georgien und der Republik Moldau zurückziehen. Die Anstrengungen der Ukraine zum Wiederaufbau werden durch den Aktionsplan des Europarates für die Ukraine „Widerstandsfähigkeit, Erholung und Wiederaufbau“ und der Entwicklungsbank des Europarates unterstützt.
Erklärung zur Situation ukrainischer Kinder
Die Mitgliedsstaaten verabschiedeten eine Erklärung zur Situation von Kindern, in der sie zur Unterstützung ukrainischer Behörden aufrufen, um die unverzügliche Rückkehr von Kindern zu gewährleisten, die von den russischen Streitkräften unrechtmäßig überführt und deportiert wurden. Alle Urheber derartiger Verbrechen, die gegenüber Kindern begangen wurden, sollten vor Gericht gestellt werden. Mitgliedsstaaten, die vorübergehend ukrainische Kinder aufnehmen, sollten ebenfalls Unterstützung erhalten.
Demokratie-Grundsätze von Reykjavik
Die Staats- und Regierungschefs des Europarates warnten vor Rückschritten und verabschiedeten die „Demokratie-Grundsätze von Reykjavik“, die demokratische Staaten zu befolgen haben. Dazu zählen die Freiheit der Meinungsäußerung, die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, unabhängige Institutionen, eine unabhängige und wirksame Justiz, Korruptionsbekämpfung sowie die demokratische Teilhabe der Zivilgesellschaft und junger Menschen.
Erneutes Bekenntnis zum Konventionssystem als Eckpfeiler des Menschenrechtsschutzes durch den Europarat
Die Staats- und Regierungschefs der 46 Mitgliedsstaaten bekräftigten ihr tiefes und anhaltendes Bekenntnis zur Europäischen Menschenrechtskonvention, ihr unermüdliches Engagement für das Konventionssystem als Mechanismus zur Förderung von Frieden und Stabilität in Europa sowie ihre bedingungslose Verpflichtung zur Umsetzung der endgültigen Urteile des Gerichtshofs.
Europarat und Umweltschutz
Im Hinblick auf den Schutz der Umwelt erklärten die Staats- und Regierungschefs, dass Menschenrechte und Umweltschutz eng miteinander verknüpft seien und dass eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt der Schlüssel zur uneingeschränkten Ausübung der Menschenrechte sei. Die diesbezügliche Arbeit des Europarates sollte auf der politischen Anerkennung des Rechts auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt als Menschenrecht ebenso beruhen wie auf der umfassenden Rechtsprechung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshof.
Andere wichtige Fragen
Schließlich beschlossen die Teilnehmenden an dem Gipfeltreffen einige weitere Prioritäten des Europarates: die Bedeutung des Beitritts der Europäischen Union zur Menschenrechtskonvention; neue Normen zum Schutz der Menschenrechte im Digitalzeitalter on- und offline, besonders im Hinblick auf künstliche Intelligenz; die Förderung der sozialen Rechte in ganz Europa mithilfe der Sozialcharta; die Fortsetzung der Zusammenarbeit mit demokratischen Oppositionskräften in Belarus sowie mit belarussischen und russischen Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten, freien Medien und der unabhängigen Zivilgesellschaft.
(*) Vierzig Länder sind dem Erweiterten Teilabkommen über das Register beigetreten, das im Rahmen des Europarates eingerichtet wurde: Albanien, Belgien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Georgien, Griechenland, Irland, Island, Italien, Kroatien, Lettland, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Malta, Republik Moldau, Monaco, Montenegro, Niederlande, Nordmazedonien, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, San Marino, Schweden, Slowakische Republik, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik, Ukraine, Vereinigtes Königreich und Zypern sowie Japan, Kanada und Vereinigte Staaten. Die Europäische Union ist ebenfalls beigetreten, während vier weitere Länder (Andorra, Bulgarien, Mexiko und Schweiz) ihre Absicht zum Beitritt zum Ausdruck gebracht haben.
„Erklärung von Reykjavik – Vereint um unsere Werte“ und Dossier zum Gipfel [EN]