Das Ministerkomitee des Europarates hat die vom Komitee bei seiner Sitzung vom 8. und 9. März zur Überwachung der Umsetzung der Urteile und Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte getroffenen Einzelfallentscheidungen veröffentlicht. Das Komitee verabschiedete bei der Sitzung 37 Entscheidungen, die 19 Mitgliedsstaaten betreffen, darunter 8 Interimsentschließungen (*). Zudem wurden vom Komitee 15 endgültige Entschließungen zu 34 Urteilen und Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs verabschiedet. Sie betreffen zehn verschiedene Staaten. Nach der Entziehung des Rechts auf Vertretung im Europarat am 25. Februar bleibt die Russische Föderation an die Europäische Menschenrechtskonvention gebunden, einschließlich der Verpflichtung zur Umsetzung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Das Ministerkomitee untersuchte eine Reihe von Fällen und verabschiedete bei der Sitzung in dieser Woche vier Interimsentschließungen, welche die Russische Föderation betreffen. Die Russische Föderation nahm die Möglichkeit nicht wahr, an der Sitzung teilzunehmen, um Informationen zu Urteilen, bei denen sie Partei ist, bereitzustellen und zu erhalten.
In Bezug auf den zwischenstaatlichen Fall Georgien gegen Russland (I), der die Festnahme, Inhaftierung und Kollektivausweisung einer großen Anzahl georgischer Staatsangehöriger aus der Russischen Föderation in den Jahren 2006–2007 betrifft, bedauerte das Komitee zutiefst, dass die russischen Behörden trotz der Unterzeichnung einer Vereinbarung am 17. Dezember 2021 die 10.000.000 Euro als gerechte Entschädigung zuzüglich Verzugszinsen nicht bezahlt haben. Das Komitee nahm den von den russischen Behörden am 17. Februar 2022 übermittelten Aktionsbericht zur Kenntnis und beklagte, dass kein Zeitrahmen für die zu leistende Zahlung angegeben wird. Es unterstrich erneut, dass diese Verzögerung einzelne Opfer ihrer Entschädigung beraubt, die ihnen aufgrund ihres erlittenen Schadens zusteht.
Im Hinblick auf die Fallgruppe Laschmankin und andere gegen Russland, welche die Auflösung nicht genehmigter friedlicher Demonstrationen betrifft, die keinerlei Bedrohung für die öffentliche Ordnung darstellten, stellte das Komitee mit großer Besorgnis fest, dass es keine Anzeichen für konkrete Fortschritte und überzeugende Hinweise dafür gibt, dass das Problem weiterhin besteht, insbesondere Berichte über die Auflösung von Demonstrationen und Festnahmen Tausender friedlicher Demonstranten in ganz Russland, die sich dem Angriff der Russischen Föderation auf die Ukraine entgegenstellen. Es rief die russischen Behörden unter anderem dazu auf, spontane Versammlungen als rechtmäßig anzuerkennen und sicherzustellen, dass die Gewaltanwendung durch die Polizei verhältnismäßig ist und Prozesse, bei denen Sanktionen gegen Teilnehmende verhängt werden, fair sind.
Hinsichtlich der Fälle Navalnyy und Ofitserow gegen Russland und Navalnyye gegen Russland – welcher die Verurteilung der Beschwerdeführenden im Rahmen von willkürlichen, unvorhersehbaren und offenkundig unangemessenen Gerichtsentscheidungen aufgrund von Handlungen betrifft, die nicht von kommerziellen Tätigkeiten zu unterscheiden sind – bedauerte das Ministerkomitee zutiefst, dass Alexei Nawalny trotz seiner zahlreichen Appelle in Haft bleibt. Das Komitee hielt die Behörden dazu an, seine unverzügliche Freilassung zu gewährleisten, die Verurteilungen in beiden Fällen aufzuheben und die Beschwerdeführenden vollumfänglich zu entschädigen.
Bezüglich des Falls Pitschugin gegen Russland, der Verstöße gegen das Recht auf ein faires Verfahren betrifft, stellte das Ministerkomitee fest, dass durch die Wiederaufnahme innerstaatlicher Strafverfahren keine Wiedergutmachung für den Beschwerdeführer sichergestellt wurde. Das Komitee bedauerte, dass trotz seiner wiederholten Appelle seit 2016 keine alternativen Wege zur Gewährleistung dieser Wiedergutmachung vorgeschlagen wurden. Es ermahnte die russischen Behörden, dringend eine Lösung zu finden.
Das Komitee verabschiedete außerdem eine indikative Liste von Fällen, die bei der nächsten Sitzung zur Überwachung der Umsetzung von Urteilen vom 7. bis 9. Juni 2022 untersucht werden sollen.
(*) Eine Interimsentschließung ist eine Entscheidung, die vom Ministerkomitee mit dem Ziel verabschiedet wird, komplexere Situationen zu bewältigen, die eine besondere Aufmerksamkeit erfordern.
(**) Eine endgültige Entschließung ist eine Entscheidung des Ministerkomitees, durch welche es beschließt, die Überwachung der Umsetzung eines Urteils zu beenden, weil es der Ansicht ist, dass der beklagte Staat alle zur Reaktion auf die vom Gerichtshof festgestellten Verstöße nötigen Maßnahmen verabschiedet hat.