Der zweite Durchgang der Wahl um das türkische Präsidentenamt ist gut organisiert gewesen und hat den Wählerinnen und Wählern die Möglichkeit gegeben, sich zwischen zwei echten politischen Alternativen zu entscheiden, war aber immer stärker von aufrührerischer und diskriminierender Wahlkampfrhetorik geprägt. Einseitige Medienberichterstattung und anhaltende Beschränkungen der Meinungsäußerungsfreiheit schufen einer Erklärung einer internationalen Beobachtungsdelegation zufolge ungleiche Bedingungen und trugen zu einem ungerechtfertigten Vorteil für den Amtsinhaber bei.
Die gemeinsame Delegation des Büros der OSZE für demokratische Institutionen und Menschenrechte (BDIMR), der Parlamentarischen Versammlung der OSZE (OSCE PA) und der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE) stellte fest, dass ungeachtet der vor dem ersten Durchgang erfolgten Einführung einiger Regeln durch die Wahlbehörden, die den reibungslosen Ablauf einer möglichen Stichwahl gewährleisten sollten, der Rechtsrahmen wichtige Aspekte der Organisation eines zweiten Durchgangs vernachlässigt. Dies wirkt sich negativ auf die Rechtssicherheit und die Stabilität des Rechtsrahmens insgesamt aus.
Während die Kandidaten ihren Wahlkampf frei führen konnten, waren die Unterstützerinnen und Unterstützer einiger Oppositionsparteien nach wie vor Einschüchterung und Schikanierung ausgesetzt. Beide Seiten bedienten sich aufrührerischer und diskriminierender Rhetorik, einschließlich gegenseiter Vorwürfe der Zusammenarbeit mit Terrororganisationen.
„Der zweite Durchgang der Präsidentschaftswahl hat einen eindeutigen Gewinner ergeben. Er fand aber auch in einem Umfeld statt, das in vielerlei Hinsicht nicht die Voraussetzungen für die Abhaltung demokratischer Wahlen bot“, so Frank Schwabe (Deutschland, SOC), Leiter der PACE-Delegation. „Die Türkei muss nun die Urteile des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs umsetzen und vor allem Osman Kavala und Selahattin Demirtaş freilassen. Der Oberste Wahlrat muss sich künftig zu größtmöglicher Transparenz verpflichten, um das Vertrauen in den Wahlvorgang zu stärken.“