„Die kürzlich von META ergriffenen Maßnahmen zur Anpassung seiner Richtlinien zur Faktenüberprüfung, denen ähnliche Maßnahmen von X vorausgingen, können sich negativ auf die Menschenrechte auswirken. Plattformen dürfen nicht von Fakten abrücken. Wenn sie das tun, schaffen sie ein Vakuum, in dem Desinformation unkontrolliert gedeiht und die Demokratie großen Schaden nimmt“, erklärte heute der Menschenrechtskommissar des Europarates, Michael O‘Flaherty.
„Im Mittelpunkt dieser Kontroverse steht ein grundlegendes Spannungsfeld: Wie kann man die Verbreitung schädlicher Äußerungen eindämmen und gleichzeitig das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Menschenrechte für alle schützen? Das Problem ist nicht neu, hat aber an Dringlichkeit in der heutigen Zeit gewonnen, in der sich schädliche Äußerungen schneller verbreiten können als Korrekturen und inhaltsgestaltende Algorithmen oft die am stärksten polarisierenden Botschaften verstärken. Bisweilen stammen solche schädlichen Äußerungen von staatlichen Akteuren oder ihnen nahestehenden Personen, wodurch die Gefahren für die Demokratie noch größer werden.
Es ist wichtig zu betonen, dass das Bekämpfen von Unwahrheit und das Verhindern der Verbreitung von Hass- oder Gewaltbotschaften keine Zensur ist. Es handelt sich um eine Verpflichtung zum Schutz der Menschenrechte.
Wie aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hervorgeht, ist die Achtung der Würde des Einzelnen die Grundlage einer demokratischen, pluralistischen Gesellschaft. Daher können Staaten Äußerungen einschränken oder verhindern, die Hass auf der Grundlage von Intoleranz verbreiten oder unterstützen, solange der Eingriff in einem angemessenen Verhältnis zum legitimen Ziel steht. Die Verhinderung schädlicher Äußerungen ist auch im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte verankert, der ‚jedes Eintreten für nationalen, rassischen oder religiösen Hass, durch das zu Diskriminierung, Feindseligkeit oder Gewalt aufgestachelt wird‘, verbietet.
Auf dieser Grundlage haben die Staaten internationale Menschenrechtsnormen verabschiedet, die ihren Behörden und privaten Unternehmen als Richtschnur für die Abwägung zwischen der Meinungsäußerungsfreiheit und der Verpflichtung zum Schutz vor Schaden dienen. Diese Rechtsnormen betonen, dass Maßnahmen zur Bekämpfung von Desinformation die Kriterien der Rechtmäßigkeit, Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit erfüllen müssen. Sie fordern auch Transparenz, Rechenschaftspflicht und die Verpflichtung zur Wahrung der Menschenrechte.
Ich fordere die Mitgliedsstaaten des Europarates auf, ihre Anstrengungen zu verstärken und bei der Umsetzung dieser Rechtsnormen eine grundsätzliche Führungsrolle einzunehmen, indem sie sicherstellen, dass Internetvermittler die systemischen Risiken von Desinformation und unkontrollierter Meinungsäußerung mindern. Dies beinhaltet die Forderung nach größerer Transparenz bei der Moderation von Inhalten, einschließlich des Einsatzes algorithmischer Systeme. Gleichzeitig müssen die staatlichen Maßnahmen auf internationalen Menschenrechtsnormen beruhen, um ein Übermaß zu verhindern, das legitime Meinungsäußerung unterdrücken könnte. In der Tat sind Transparenz und Rechenschaftspflicht die Gegenmittel sowohl gegen Desinformation als auch gegen übermäßige Maßnahmen.
Ziel ist es, die Menschenrechte für alle zu schützen, indem ein Gleichgewicht gefunden wird, das die freie Meinungsäußerung innerhalb ihrer festgelegten Grenzen aufrechterhält. Während die Debatte über die Moderation von Inhalten weitergeht, sollten staatliche Akteure, Plattformen und die Zivilgesellschaft aufrichtig zusammenarbeiten, um die Menschenrechte und demokratischen Grundsätze zu wahren.“