Die Mehrheit der Sloweninnen und Slowenen sehen den sexuellen Missbrauch von Kindern als schwerwiegendes Problem. Bereits eine von fünf Personen war Opfer von mindestens einer Form sexuellen Missbrauchs. Allerdings ist das Bewusstsein für diese Art von Missbrauch gering, da die Eltern nur ungern mit ihren Kindern darüber sprechen und in den Schulen nicht in ausreichendem Maße präventive Aufklärung betrieben wird. Dies sind einige der wichtigsten Ergebnisse der neuen Studie „Wahrnehmung von sexuellem Missbrauch von Kindern“, die heute in Slowenien veröffentlicht wurde. Die Studie wurde im Rahmen des Projekts „Förderung der Umsetzung eines Barnahus (Kinderhauses)“ durchgeführt, das der Europarat mit finanzieller Unterstützung aus dem EU-Programm zur Unterstützung von Strukturreformen betreibt.
Aus der Studie geht hervor, dass 70 % der Sloweninnen und Slowenen den sexuellen Missbrauch von Kindern als schwerwiegendes Problem in dem Land betrachten. Allerdings könnte fast die Hälfte der Befragten, 47 %, Hinweise nicht erkennen. Beinahe ein Drittel glaubt zudem, dass derartiger Missbrauch stets mit der Anwendung körperlicher Gewalt einhergeht, ein Viertel vertritt die Ansicht, dass es kein sexueller Missbrauch sei, Kinder mit sexuellen Handlungen und Pornografie zu konfrontieren, und 17 % meinen, dass Kinder andere Kinder nicht sexuell missbrauchen können. Zwei Drittel der Befragten denken, dass Schulen nicht ausreichend Informationen zur Prävention von sexuellem Missbrauch bereitstellen, und eine große Mehrheit (90 %) ist der Meinung, dass diesbezügliche Aufklärung Teil des Lehrplans sein sollte. Gleichzeitig ist es beinahe der Hälfte der Eltern unangenehm, mit ihren Kindern zu Hause über das Thema zu sprechen, und nur ein Drittel hat ein solches Gespräch bereits geführt.
Im Hinblick auf die persönlichen Erfahrungen ergab die Studie, dass fast einer von fünf Befragten (18 %) bis zum Alter von 18 Jahren Opfer von mindestens einer Form sexuellen Missbrauchs war; die am häufigsten genannten Formen waren dabei unangemessene Berührung und unsittliche Entblößung. Lediglich 6 % der Opfer stellten Strafanzeige, und nur 3 % der Anzeigen führten zu einem Prozess und einer Verurteilung.
Die slowenische Justizministerin, Lilijana Kozlovič, erklärte: „Weltweit, aber auch in Slowenien, ist sexueller Missbrauch von Kindern eine der Straftaten mit der höchsten Dunkelziffer. Um sie zu bekämpfen, benötigen wir natürlich Gesetze und Maßnahmen, aber nicht nur: Wir müssen unsere Haltung und Arbeitsweise verändern, damit wir sicherstellen, dass kein Kind zurückbleibt und jeder mutmaßliche Fall gemeldet und wirksam bearbeitet wird und eine angemessene Reaktion zur Folge hat. Sexuellen Missbrauch von Kindern umgeben oftmals Tabus, Stigmatisierung und Schamgefühl. Diese Forschung trägt dazu bei, das Schweigen zu brechen.“
Mirka Honko von der Kinderrechtsabteilung des Europarates sagte: „Der Europarat betrachtet die Studie als Ausgangspunkt für eine stärker fokussierte Arbeit in Slowenien. Sie zeigt uns den aktuellen Stand des Bewusstseins für das Problem des sexuellen Missbrauchs von Kindern in Slowenien und die entsprechenden Lücken, sodass wir nunmehr wissen, wie wir die Menschen schulen und ausbilden müssen. Ich hoffe, dass die Studie andere Länder dazu anregt, dem Beispiel Sloweniens zu folgen.“ Sie betonte überdies die Bedeutung der Studie für den derzeit laufenden Prozess der Ausarbeitung und Verabschiedung eines Barnahus-Gesetzes in Slowenien (Gesetz „Kindesschutz in Strafverfahren und umfassende Behandlung von Kindern in Kinderhäusern“).
Vorgestellt wurden die quantitativen und qualitativen Ergebnisse sowie die angewandte Methodik von Nataša Mohorč Kejžar, Forschungsleiterin von IPSOS, dem Meinungsforschungsinstitut, das die Studie durchführte. Rund 1100 persönliche Interviews mit Erwachsenen aus ganz Slowenien wurden geführt; Zielgruppen mit Kindern wurden ebenfalls organisiert.