Die Parlamentarische Versammlung des Europarates (PACE) hat in einer Dringlichkeitsdebatte während ihrer Plenarsitzung in Straßburg die Türkei aufgefordert, „verbindliche Urteile“ des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte „umzusetzen“ und „Osman Kavala, der weiterhin unrechtmäßig in der Türkei festgehalten wird, unverzüglich freizulassen“. Dabei betonte sie, dass dieser Fall „die Grundlage des Konventionssystems untergräbt“. Die Versammlung verabschiedete eine Entschließung auf der Grundlage des Berichts von Petra Bayr (Österreich, SOC) und bedauert darin, dass die türkischen Behörden den Menschenrechtsaktivisten und Philanthropen „ungeachtet eines eindeutigen Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus dem Jahr 2019, das seine sofortige Freilassung fordert“, bis heute nicht freigelassen haben.
Die Versammlung fügte hinzu, dass der Straßburger Gerichtshof in einem zweiten Urteil im Juli 2022 im Rahmen des Vertragsverletzungsverfahren – was „außerordentlich selten“ ist – feststellte, dass die Türkei ihrer Verpflichtung, das Urteil von 2019 umzusetzen, tatsächlich nicht nachgekommen ist. „Die anhaltende Weigerung der türkischen Behörden, dieses Urteil umzusetzen, ist nicht nur eine persönliche Tragödie für Osman Kavala und seine Angehörigen, sondern auch eine Tragödie für die Rechtsstaatlichkeit und die Justiz in der Türkei“, so die Abgeordneten.
Unter Hinweis darauf, dass die verschärfte lebenslange Haftstrafe von Kavala im September 2023 vom türkischen Kassationsgerichtshof bestätigt wurde, erinnerte die Versammlung daran, dass der Straßburger Gerichtshof festgestellt hat, „dass keine glaubwürdigen Beweise vorliegen, aufgrund derer man zu dem Schluss kommen kann, dass es einen begründeten Verdacht gibt, der die Anschuldigungen gegen Osman Kavala stützt“, und dass seine Inhaftierung „ein unausgesprochenes Ziel verfolgt, nämlich ihn […] zum Schweigen zu bringen“. Die Abgeordneten erklärten zudem, dass Kavala ihrer Meinung nach unter die Definition des Begriffs „politischer Gefangener“ der Versammlung falle.
Angesichts dieser „außergewöhnlichen Umstände“ ist die Versammlung auch der Ansicht, dass es nun an der Zeit ist, „Schritte zu unternehmen, um das in ihrer Entschließung 2319(2020) vorgesehene ergänzende gemeinsame Verfahren einzuleiten“. Sie forderte die Mitgliedsstaaten auf, „für den Fall, dass die Türkei Osman Kavala nicht freilässt, das ‚Magnitski-Gesetz‘ oder andere bestehende Rechtsinstrumente anzuwenden, um gezielte Sanktionen gegen diejenigen Beamten, einschließlich Staatsanwälte und Richter, zu verhängen, die für den unrechtmäßigen und willkürlichen Freiheitsentzug von Osman Kavala verantwortlich sind“.
Darüber hinaus erinnerte die Parlamentarische Versammlung daran, dass sie befugt sei, „die Beglaubigungsschreiben der türkischen Delegation auf ihrer ersten Teilsitzung des Jahres 2024 infrage zu stellen“, falls Kavala nicht bis zum 1. Januar 2024 aus der Haft entlassen wird. Abschließend erklärte sie ihre Bereitschaft, „eng mit dem Ministerkomitee, der Generalsekretärin und der Türkei zusammenzuarbeiten, um die Umsetzung des Urteils im Fall Kavala sicherzustellen“ und die Wahrung des Konventionssystems sowie die Glaubwürdigkeit der Organisation zu gewährleisten.
Am vergangenen Montag verlieh die Versammlung Kavala den 11. Václav-Havel-Menschenrechtspreis, mit dem herausragendes zivilgesellschaftliches Engagement zur Verteidigung der Menschenrechte gewürdigt wird.