Die Parlamentarische Versammlung des Europarates (PACE) hat heute mit Nachdruck ihren Aufruf an die türkischen Behörden bekräftigt, „von Gesetzen und Praktiken Abstand zu nehmen, die demokratischen Normen zuwiderlaufen, den Rechts- und Verfassungsrahmen des Landes zu überarbeiten, um die Gewaltenteilung zu gewährleisten, die Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit wiederherzustellen, ihre Antiterrorgesetze weniger umfassend auszulegen und die Urteile des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs umzusetzen“.
Im Anschluss an eine Debatte über die Funktionsweise demokratischer Institutionen in der Türkei erklärten die Abgeordneten zudem, dass der Präsidialbeschluss vom 20. März 2021 zum Rücktritt von der Istanbul-Konvention – deren Ziel die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt ist – „einen Rückschritt für das Land“ darstellt. Sie bedauerten zutiefst, dass dieser Beschluss „ohne jegliche parlamentarische Debatte und aufgrund irreführender Narrative“ gefasst wurde, und ersuchten um die Expertise der Venedig-Kommission, die eine vergleichende Studie zu den Modalitäten der Ratifizierung und Aufkündigung von Konventionen des Europarates in demokratischen Gesellschaften ausarbeiten soll.
In der verabschiedetem Entschließung auf der Grundlage eines von Thomas Hammarberg (Schweden, SOC) und John Howell (Vereinigtes Königreich, EC/DA) erstellten Berichts werden mit Sorge die Verfahren zur Kenntnis genommen, durch welche die parlamentarische Immunität von einem Drittel der Abgeordneten – mehrheitlich aus der Opposition – aufgehoben werden soll, sowie der Versuch der Auflösung der Demokratischen Volkspartei (HDP) und die Unterdrückung ihrer Mitglieder. Die Versammlung fordert daher „die türkischen Behörden dringend auf, den gerichtlichen Schikanen gegen Abgeordnete ein Ende zu setzen und Abstand davon zu nehmen, zahlreiche Verfahren anzustrengen, um auf unrechtmäßige Weise die Aufhebung ihrer Immunität zu erreichen, wodurch die Ausübung ihres politischen Mandats erheblich erschwert“ sowie der politische Pluralismus beeinträchtigt wird.
In der Entschließung wird zudem nachdrücklich die sofortige Freilassung des früheren Ko-Vorsitzenden der HDP Selahattin Demirtaş und des Philanthropen Osman Kavala gefordert, „gemäß den Urteilen des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs aus dem Jahr 2020 und den anschließenden Entscheidungen des Ministerkomitees, dem die Überwachung der Umsetzung der Urteile obliegt“.
Der Versammlung zufolge sollten die türkischen Behörden die Umsetzung des Menschenrechtsaktionsplans und die Reform der Wahl- und Parteiengesetze zum Anlass nehmen, um „konkrete und zielführende Maßnahmen“ zu treffen, welche den Verpflichtungen aufgrund der Mitgliedschaft des Landes im Europarat entsprechen.