Als Reaktion auf die Verurteilung von Osman Kavala zu einer erschwerten lebenslangen Freiheitsstrafe veröffentlichte der Präsident der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, Tiny Kox, folgende Erklärung:
„Ich bin zutiefst enttäuscht über das Urteil zu lebenslanger Haft, das ein Istanbuler Gericht gestern gegen Osman Kavala ausgesprochen hat. Es ist bestürzend, dass er rund fünf Jahre in Untersuchungshaft saß und nun – nach einem Verfahren, das als im Widerspruch zur Europäischen Menschenrechtskonvention stehend beurteilt wurde – zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Ich erinnere daran, dass die Nichtumsetzung des Urteils des Straßburger Gerichtshofs im Fall Kavala das Ministerkomitee des Europarates dazu veranlasst hat, den Fall gemäß Artikel 46.4 der Menschenrechtskonvention erneut an den Gerichtshof zu verweisen.
Darum erwarte ich, dass die türkische Justiz im vollen Einklang mit den Normen der Europäischen Menschenrechtskonvention und den internationalen Verpflichtungen der Türkei gemäß der Konvention vorgeht. Kavala muss unverzüglich freigelassen werden.
Gleichzeitig fordere ich die türkischen Behörden dringend auf, sich durch konstruktive und offene Zusammenarbeit mit dem Europarat (einschließlich der Ko-Berichterstatter des Monitoring-Ausschusses der Versammlung) mit den zahlreichen Bedenken hinsichtlich des Funktionierens der demokratischen Institutionen, der Wahrung der Grundrechte und -freiheiten und der Rechtstaatlichkeit zu befassen, die unter anderem aus Urteilen des Straßburger Gerichtshofs und Entschließungen der Versammlung im Rahmen ihres Monitorings der Türkei hervorgehen.“
Der Monitoring-Ausschuss der Versammlung hat beschlossen, sein für 24. und 25. Mai 2022 in Ankara geplantes Treffen zu verschieben, und die Ko-Berichterstatter, John Howell (Vereinigtes Königreich, CE/AD) und Boris Cilevičs (Lettland, SOC) ermächtigt, die Türkei zu besuchen, um den politischen Dialog mit den Behörden im Rahmen des Monitoring-Verfahrens der Versammlung fortzuführen.
In seiner Entscheidung vom 10. Dezember 2019 stellte der Europäische Menschenrechtsgerichtshof fest, dass die Festnahme und Untersuchungshaft von Osman Kavala stattfanden, ohne dass begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass er eine Straftat begangen hat (Verstoß gegen Artikel 5 § 1 der Konvention), und zudem darauf abzielen, ihn zum Schweigen zu bringen und andere Menschenrechtsaktivisten abzuschrecken (Verstoß gegen Artikel 18 in Kombination mit Artikel 5 § 1).