Der Menschenrechtskommissar des Europarates, Michael O’Flaherty, hat zwei Schreiben veröffentlicht, die er am 17. Juli an den Ministerpräsidenten und an die Senatsmarschallin Polens gesendet hat. Sie betreffen die Menschenrechtslage an der Grenze zu Belarus.
In seinem Schreiben an den Ministerpräsidenten brachte der Kommissar seine Besorgnis im Hinblick auf Berichte zum Ausdruck, wonach die Praxis der Sammelrückführungen von Personen über die polnisch-belarussische Grenze fortgesetzt wird, was im Widerspruch zu Polens Verpflichtungen gemäß den internationalen Menschenrechtsnormen stehe, sowie auf die Auswirkungen der sogenannten Pufferzone, die auf einem Teil dieser Grenze eingerichtet wurde, auf die Menschenrechte. Er rief die polnischen Behörden dazu auf, zu „gewährleisten, dass alle Gesetze und Praktiken in Verbindung mit der Lage an Polens Grenze zu Belarus mit den einschlägigen Menschenrechtsnormen des Europarates in Einklang stehen“.
In seinem Schreiben an die Senatsmarschallin äußerte sich Kommissar O’Flaherty besorgt über den Gesetzentwurf, in dem vorgeschlagen wird, einige in Grenzgebieten eingesetzte Staatsbedienstete, die – unter bestimmten Bedingungen und in Notsituationen – unter Verstoß gegen die geltenden Regeln direkte Gewalt oder Schusswaffen anwenden oder anderen eine derartige Anwendung genehmigen, von der strafrechtlichen Verantwortung zu befreien. Nach Ansicht des Kommissars „könnte der Gesetzentwurf, wenn er verabschiedet wird, einen rechtlichen und politischen Rahmen schaffen, der Staatsbedienstete, die in Grenzgebieten oder in anderen Situationen innerhalb seines Geltungsbereichs eingesetzt werden, davon abhält, beim Einsatz von Gewalt und Schusswaffen gemäß den Regeln der Verhältnismäßigkeit zu handeln“. In Verbindung mit den Auswirkungen der sogenannten Pufferzone und der daraus resultierenden geringeren öffentlichen Kontrolle der Handlungen der dort eingesetzten Sicherheitskräfte könnte der Gesetzentwurf so „einen Mangel an Rechenschaftspflicht fördern und ein mangelndes Engagement im Hinblick auf Menschenrechtsverpflichtungen nahelegen“. Der Kommissar forderte die Mitglieder des Senats dazu auf, von der Verabschiedung des Gesetzentwurfs in seiner derzeitigen Form Abstand zu nehmen.
Zwar erkannte der Kommissar den Ernst und die Komplexität der Aufgaben an, vor denen die polnischen Behörden bei der Bewältigung der Migration an der Grenze stehen, unterstrich jedoch, dass die „Berufung auf die nationale Sicherheit nicht als Freibrief für die Verabschiedung von Maßnahmen dienen darf, die Fragen hinsichtlich der Vereinbarkeit mit den Menschenrechtsnormen aufwerfen“.
Schreiben an den polnischen Ministerpräsidenten [EN]
Schreiben an die polnische Senatsmarschallin [EN]
Antwort des Unterstaatssekretärs des polnischen Ministeriums für Inneres und Verwaltung [EN]