Die Menschenrechtskommissarin des Europarates, Dunja Mijatović, fordert in einem heute veröffentlichten Schreiben an den polnischen Ministerpräsidenten die Regierung des Landes nachdrücklich auf, die Konformität zweier Gesetzentwürfe mit den europäischen Menschenrechtsnormen zu gewährleisten, insbesondere mit jenen, welche die Meinungsäußerungsfreiheit, die Pressefreiheit und -vielfalt und das Recht auf Achtung der Privatsphäre schützen. Die Gesetzentwürfe betreffen die „Steuer auf die Werbeeinnahmen von Medienunternehmen“ und den „Schutz der Meinungsäußerungsfreiheit der Nutzerinnen und Nutzer Sozialer Medien“.
Die Menschenrechtskommissarin stellt mit Sorge fest, dass die im ersten Gesetzentwurf vorgesehene Steuer in der Praxis dazu führen würde, dass unabhängige Medien in ihrer Existenz bedroht sind. Dies würde die Möglichkeit der Menschen, den für sie relevanten Inhalt auszuwählen, und die Freiheit, Informationen zu erhalten, unzulässig beschränken. Die polnischen Behörden müssen Mijatović zufolge dringend sicherstellen, dass die verabschiedeten Bestimmungen weder formal noch praktisch diskriminierend sind und den in Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerten Medienpluralismus nicht beeinträchtigen. „Die neuen Bestimmungen dürfen nicht zur Lähmung eines Sektors führen, dessen Tätigkeit für eine offene und vielfältige Medienlandschaft unverzichtbar ist“, so die Menschenrechtskommissarin.
Der Gesetzentwurf über den „Schutz der Meinungsäußerungsfreiheit der Nutzerinnen und Nutzer Sozialer Medien“ sieht die Schaffung eines Organs vor, dem die Prüfung von Einsprüchen gegen die Entscheidungen von Internet-Unternehmen über den Zugang zu bestimmten Inhalten obliegt. Mijatović äußert sich besorgt hinsichtlich der Unabhängigkeit dieses Organs, der übermäßig weit gefassten Definition eines unzulässigen Inhalts (besonders angesichts der Lücken, die der innerstaatliche Rechtsrahmen aufweist, der sich auf Hassrede bezieht) und der in dem Entwurf vorgesehenen Verpflichtung zur langfristigen Speicherung von Daten. Die polnischen Behörden müssen gewährleisten, so die Menschenrechtskommissarin, dass jegliche Maßnahme zur Regulierung der Möglichkeiten Sozialer Medien, über Online-Inhalt zu entscheiden, auf klaren und vorhersehbaren Bestimmungen beruht, einen legitimen Zweck verfolgt und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist. Sie erinnert daran, dass die massenhafte Speicherung von Kommunikationsdaten ohne Verdacht dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit zuwiderläuft und dass wirksame Rechtsmittel gegen jede Entscheidung zum Inhalt und zu den Daten von Nutzerinnen und Nutzern verfügbar sein müssen.
Schreiben der Menschenrechtskommissarin an den polnischen Ministerpräsidenten [EN]