Zurück Jährliche Strafstatistik des Europarates für 2023: Überbelegung von Gefängnissen in Europa weiterhin ein Problem

Jährliche Strafstatistik des Europarates für 2023: Überbelegung von Gefängnissen in Europa weiterhin ein Problem

Laut der Jährlichen Strafstatistik des Europarates zur Gefängnispopulation (SPACE I) für 2023, die heute veröffentlicht wurde, ist die Überbelegung von Gefängnissen in einer beträchtlichen Anzahl europäischer Gefängnisverwaltungen weiterhin ein ernstes, chronisches Problem (siehe auch die wichtigsten Ergebnisse). In Ländern mit über 500.000 Einwohnern gaben zwölf Gefängnisverwaltungen an, dass sie im Januar 2023 mehr Insassen als verfügbare Plätze verzeichneten.

Insgesamt stieg in Europa die Zahl der inhaftierten Personen pro 100 verfügbaren Plätzen vom 31. Januar 2022 bis zum 31. Januar 2023 um 2 % (von 91,7 auf 93,5). Sieben Gefängnisverwaltungen meldeten eine Insassendichte von mehr als 105 pro 100 verfügbaren Plätzen, was auf eine starke Überbelegung hindeutet, und zwar: Zypern (166 Insassen pro 100 Plätzen), Rumänien (120), Frankreich (119), Belgien (115), Ungarn (112), Italien (109) und Slowenien (107). Fünf Gefängnisverwaltungen gaben eine sehr hohe Insassendichte an: Griechenland (103), Schweden (102), Nordmazedonien (101), Kroatien (101) und die Türkei (100). Weitere Verwaltungen meldeten eine Insassendichte unter 100, die jedoch an der Grenze zur Überbelegung lag: Irland (99), Portugal (98), Finnland (97), Dänemark (97), England und Wales (Vereinigtes Königreich) (97) und Aserbaidschan (96).

Am 31. Januar 2023 wurden in den 48 (von 51) Gefängnisverwaltungen der Mitgliedsstaaten des Europarates, die Angaben übermittelt haben, 1.036.680 Insassen gezählt. Von Januar 2022 bis Januar 2023 stieg die mediane europäische Inhaftierungsrate in den Ländern mit mehr als einer Million Einwohnern um 2,4 % – von 113,5 auf 116,2 Insassen pro 100.000 Einwohnern, was einem ähnlichen Anstieg wie im Vorjahr entspricht.

Bei den Ländern mit über 500.000 Einwohnern verzeichneten sechzehn Gefängnisverwaltungen zwischen Januar 2022 und Januar 2023 einen deutlichen Anstieg der Belegungsrate: die Republik Moldau (+52 %), Nordmazedonien (+26 %), Zypern (+25 %), die Türkei (+15 %), Aserbaidschan (+13 %), Irland (+12 %), Montenegro (+11 %), Armenien (+11 %), Kroatien (+10 %), Ungarn (+8,7 %), Nordirland (Vereinigtes Königreich) (+8,3 %), Georgien (+8,2 %), Bulgarien (+8,1 %), Österreich (+6,8 %), Italien (+5,7 %) und Schweden (+5,1 %). Die Inhaftierungsraten gingen lediglich in Malta (–22 %), Litauen (–8,9 %), Estland (–8,8 %) und Griechenland (–5,2 %) deutlich zurück, während sie in 23 Gefängnisverwaltungen stabil blieben.

Die Länder mit den höchsten Inhaftierungsraten waren die Türkei (408 Insassen pro 100.000 Einwohnern), Georgien (256), Aserbaidschan (244), die Republik Moldau (242), Ungarn (211), Polen (194), die Slowakei (183), Albanien (179), Tschechien (176), Litauen (174) und Lettland (172). Weitere Länder mit hohen Inhaftierungsraten waren Montenegro (168), Serbien (162), Estland (151) und Nordmazedonien (142).

„Das zweite Jahr in Folge ist die Gesamtzahl der europäischen Gefängnispopulation leicht gestiegen. Dies könnte immer noch ein Rebound-Effekt nach dem Rückgang in den Jahren der Covid-19-Pandemie sein, der auf den Rückgang der Offline-Delikte während der Lockdowns, die Freilassung von Insassen in einigen Ländern und eine geringere Aktivität der Strafjustiz zurückzuführen ist. Dieser Anstieg steht jedoch in deutlichem Gegensatz zur insgesamt stark rückläufigen Tendenz der Inhaftierungsraten seit 2013. Es bleibt abzuwarten, ob es zu einer Trendwende kommt. Die anhaltende Überbelegung bleibt ein großes Problem für viele Gefängnisverwaltungen“, so Prof. Marcelo Aebi, Leiter des SPACE-Forschungsteams der Universität Lausanne.

Gewalt- und Drogendelikte machen mehr als die Hälfte der Hauptdelikte aus, für die die europäische Gefängnispopulation Haftstrafen verbüßt. Drogendelikte sind die häufigste Straftat (19 % der Verurteilten), gefolgt von Mord und versuchtem Mord (13 %), Diebstahl (12 %), Sexualdelikten (8,9 %), Raub (7,7 %) und Körperverletzung (6,7 %).

Am 31. Januar 2023 befand sich durchschnittlich fast ein Drittel der Insassen in europäischen Strafvollzugsanstalten in Untersuchungshaft. Die Gefängnisverwaltungen mit dem höchsten Anteil an Untersuchungshäftlingen waren Albanien (55 %), Armenien (53 %), Luxemburg (49 %), die Schweiz (46 %), die Niederlande (45 %), Montenegro (42 %) und Nordirland (Vereinigtes Königreich) (41 %). Den niedrigsten Anteil an Untersuchungshäftlingen verzeichneten Tschechien (7,5 %), Litauen (11 %), Polen (11 %), Rumänien (12 %) und Nordmazedonien (12 %).

Im Durchschnitt waren 27 % der Insassen in den europäischen Gefängnissen ausländische Staatsangehörige, allerdings mit erheblichen Unterschieden zwischen den einzelnen Ländern. In Ländern mit mehr als 500.000 Einwohnern war dieser Anteil in den Strafvollzugsanstalten in Luxemburg (78 %), der Schweiz (71 %), Griechenland (57 %), Zypern (55 %), Österreich (51 %), Katalonien (Spanien) (49 %), Malta (49 %) und Belgien (42 %) am höchsten. Die niedrigsten Anteile wurden in Rumänien (1,1 %), der Republik Moldau (1,5 %) und Aserbaidschan (1,9 %) verzeichnet. In den mittel- und osteuropäischen Ländern ist der Anteil deutlich niedriger als im übrigen Europa; dies deckt sich mit der natürlichen Bewegung der europäischen Bevölkerung seit den 2000er-Jahren: steigende Bevölkerungszahlen in West-, Süd- und Nordeuropa und sinkende in Mittel-, Südost- und Osteuropa.

Am 31. Januar 2023 lag das Durchschnittsalter der Insassen in den europäischen Strafvollzugsanstalten bei 38 Jahren. Das niedrigste Durchschnittsalter wurde in Bulgarien (33), Schweden (34), Frankreich (35) und Dänemark (35) beobachtet, während das höchste in Serbien (50), Georgien (44), Italien (43), Portugal (41) und Spanien (41) zu verzeichnen war. Von allen Insassen waren 14 % zwischen 18 und 25 Jahre alt, 68 % zwischen 26 und 49 Jahre, 15 % zwischen 50 und 64 Jahre und 3 % waren 65 Jahre oder älter. Die überwältigende Mehrheit der Insassen waren Männer: Frauen machten nur 5 % aus. In Zypern (9,2 %), Malta (9,1 %), Tschechien (8,5 %), Finnland und Lettland (7,7 %) war der Anteil der Frauen relativ hoch.

 

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Die SPACE-Statistiken werden jährlich von der Universität Lausanne für den Europarat erstellt. Die SPACE-I-Erhebung enthält Informationen aus den Gefängnisverwaltungen der Mitgliedsstaaten des Europarates, während sich die SPACE-II-Erhebung auf die Bewährungshilfe konzentriert.

 

Anmerkungen

  • Achtundvierzig der 51 Gefängnisverwaltungen der Mitgliedsstaaten des Europarates haben an der SPACE-I-Erhebung 2023 teilgenommen.
  • Die einzigen Gefängnisverwaltungen, die in diesem Jahr nicht an der SPACE-I-Erhebung teilnahmen, waren die drei Gefängnisverwaltungen von Bosnien und Herzegowina (Staatsverwaltung, Republika Sprska und Föderation von Bosnien und Herzegowina).
  • Sofern nicht anders angegeben, beziehen sich die Daten auf den 31. Januar 2023 und werden als Medianwerte ausgedrückt. Diese sind zuverlässiger als Durchschnittswerte, da sie weniger anfällig für Extremwerte sind (z. B. Gefängnisverwaltungen mit außergewöhnlich niedrigen oder hohen Quoten).
  • Im Hinblick auf die Insassendichte ist zu beachten, dass auch Länder, deren Gesamtzahl an Insassen geringer ist als ihre Gesamtkapazität der Gefängnisse auf nationaler Ebene, unter Überbelegung in bestimmten Einrichtungen leiden können.

Infographics

 Länder mit der höchsten Anzahl an Inhaftierten [EN]

 Länder mit den höchsten Inhaftierungsraten [EN]

 Länder mit mehr Inhaftierten als verfügbaren Plätzen in den Hafteinrichtungen (Überbelegung) [EN]

 

Europarat Strassburg 6. Juni 2024
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