In einem neuen, heute veröffentlichten Bericht, analysiert das Lanzarote-Komitee des Europarats die Strategien, die durch 26 europäische Staaten(*) für den Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch durch Vertrauenspersonen eingesetzt werden. Der Begriff Vertrauenspersonen umfasst die erweiterte Familie und andere dem Kind nahestehende Personen, die einen Einfluss auf das Kind ausüben.
Dem Bericht zufolge ergreifen die Vertragsstaaten des Übereinkommens zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch („Lanzarote-Konvention“) wirksame Maßnahmen in diesem Bereich. Eine sehr vielversprechende Praxis ist es, Minderjährigen die Möglichkeit zu geben, aktiv an der Entwicklung und Verabschiedung von Strategien mitzuwirken. Die einzelstaatlichen Behörden fast aller Vertragsstaaten arbeiten mit zivilgesellschaftlichen Organisationen und dem Privatsektor bei der Sensibilisierung, Aufklärung und Ausbildung von Personen, die mit Minderjährigen arbeiten, zusammen, um sexuellen Missbrauch zu verhindern.
Der Bericht betont die bedeutende Rolle, die die Medien bei der Information über sexuellen Missbrauch von Kindern spielen, wobei besonderes Augenmerk auf die uneingeschränkte Achtung der Privatsphäre und der Rechte der Kinder gelegt wird. So ist es beispielsweise in Kroatien und Rumänien verboten, die Identität des betroffenen Minderjährigen oder andere Informationen über sein Privatleben preiszugeben.
Das Lanzarote-Komitee würdigt die Bedeutung von allgemeinen Kampagnen zur Sensibilisierung für sexuellen Missbrauch von Minderjährigen, die in vielen Vertragsstaaten durchgeführt werden. Es erinnert jedoch daran, dass gezielte Maßnahmen in Erwägung gezogen werden müssen, um die Öffentlichkeit wirksam über die Gefahr des sexuellen Missbrauchs von Kindern, insbesondere durch Vertrauenspersonen, und über Möglichkeiten zum Schutz von Kindern vor solchen Straftaten zu informieren.
Der Bericht hebt die zahlreichen Formate hervor, die in den Schulen verwendet werden, um Kinder über sexuellen Missbrauch zu informieren. Die Informationen werden in der Regel im Kontext allgemeiner Schulfächer wie „Biologie“ oder „Alltagskompetenzen“ vermittelt. Die Tatsache, dass sexuelle Übergriffe durch Vertrauenspersonen verübt werden können, wird jedoch als solche nie behandelt. In einigen Vertragsstaaten (z. B. Albanien, Malta, Portugal) wird sexueller Missbrauch von Kindern, auch Missbrauch durch Vertrauenspersonen, im Sexualkundeunterricht behandelt. Das Komitee ist der Ansicht, dass die Vertragsstaaten, die dies noch nicht getan haben, das Problem des sexuellen Missbrauchs durch Vertrauenspersonen angehen und Kinder in Grund- und Sekundarschulen informieren sollten.
Das Lanzarote‑Komitee empfiehlt außerdem, die notwendigen Mittel für regelmäßige Fortbildung über Kindesmissbrauch durch Vertrauenspersonen für alle Fachkräfte, die in regelmäßigem Kontakt mit Kindern stehen, bereitzustellen. Es stellt fest, dass lediglich Dänemark und Island ständig Mittel für solche Fortbildungsprogramme auf allen Ebenen (Kindertagesstätten, Grundschulen usw.) bereitstellen.
Das Melden von Verdachtsmomenten des sexuellen Missbrauchs von Kindern ist ein wesentliches Element der Prävention und Bekämpfung dieser Gefahr. In einigen Ländern, wie Bosnien‑Herzegowina, Kroatien, Island, Italien, Luxemburg und Malta, kann die Nichtanzeige von Fällen sexuellen Missbrauchs von Kindern strafrechtlich verfolgt werden. Das Komitee betont, dass die Vertraulichkeitsvorschriften für Fachleute, die mit Kindern arbeiten, die Meldung von Fällen an die Kinderschutzbehörden nicht ausschließen sollten, wenn die Fachleute begründeten Anlass zu der Annahme haben, dass das Kind sexuell missbraucht wurde.
Um Personen, die des sexuellen Missbrauchs schuldig befunden worden sind, von Kindern fernzuhalten, fordert das Lanzarote‑Komitee die Staaten, die Überprüfungen nur für einige Berufsgruppen vorsehen (Bosnien‑Herzegowina, Bulgarien, Griechenland, Island, Kroatien, Litauen, Republik von der Moldau, Montenegro, Österreich, San Marino, Serbien „die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien“ und die Ukraine) auf, diese Überprüfungen auf alle Berufe auszudehnen, bei denen ein regelmäßiger Kontakt zu Kindern besteht. Den Tätern muss untersagt sein, jene beruflichen oder ehrenamtlichen Tätigkeiten auszuüben, in deren Rahmen die Straftat begangen wurde. In dieser Hinsicht muss die Lage in Bosnien‑Herzegowina, Bulgarien, Litauen, der Republik Moldau, Montenegro und San Marino korrigiert werden.
Die Vertragsparteien des Lanzarote-Übereinkommens sollten auch Personen unterstützen, die fürchten, Sexualtraftaten zu begehen. Das Lanzarote-Komitee zeigt sich äußerst besorgt über das Fehlen von Maßnahmen und spezifischen Angeboten für diese Menschen in den meisten Ländern. Es fordert Albanien, Bosnien‑Herzegowina, Bulgarien, Griechenland, Island, Italien, Litauen, Luxemburg, Malta, die „ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien“, die Republik Moldau, Montenegro, Portugal, Rumänien, San Marino, Serbien und die Ukraine auf, wirksame Interventionsprogramme für all jene, die fürchten eine solche Straftat, insbesondere an Kindern, zu begehen, einzurichten.
Alternative Maßnahmen zu einer Haftstrafe für Sexualstraftäter sind beispielsweise therapeutische und psychologische Behandlungen oder gemeinnützige Arbeit. Einzig Belgien, Litauen und Spanien verfügen über spezielle Programme für diese Personen. Das Lanzarote-Komitee fordert alle anderen Vertragsstaaten auf, die Behandlungsprogramme und -maßnahmen auszubauen. Behandlungen im Gefängnis gibt es in nur 12 der 26 Vertragsstaaten (Belgien, Bosnien‑Herzegowina, Dänemark, Finnland, Italien, Kroatien, Litauen, Portugal, Rumänien, Spanien und der Türkei). Das Lanzarote‑Komitee fordert alle anderen Vertragsstaaten auf, solche Programme für Gefängnisse zu schaffen. Darüber hinaus sind nach der Entlassung besondere Maßnahmen erforderlich, um diese Personen wieder in die Gesellschaft zu integrieren und weitere Opfer zu verhindern.
Kontakt: Tatiana Baeva, Sprecherin/Medienreferentin, Tel. +33 3 88 41 21 41
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(*) Ebenso wie der 1. Fortschrittsbericht, umfasst auch dieser die 26 Länder, die zu Beginn des Beobachtungszyklus das Übereinkommen ratifiziert hatten: Albanien, Belgien, Bosnien‑Herzegowina, Bulgarien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland, Island, Italien, Kroatien, Litauen, Luxemburg, Malta, die „ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien“, die Republik Moldau, Montenegro, die Niederlande, Österreich, Portugal, Rumänien, San Marino, Serbien, Spanien, die Türkei, die Ukraine.