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Sexueller Missbrauch von Kindern: Empfehlungen an Ungarn

Der Lanzarote-Ausschuss des Europarates hat heute seine  Empfehlungen an die ungarischen Behörden betreffend den Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch und sexueller Ausbeutung in den Transitzonen an der serbisch-ungarischen Grenze veröffentlicht.

Seit Inkrafttreten eines von Ungarn im März 2017 beschlossenen Gesetzes werden minderjährige unbegleitete Asylwerber (Kinder im Alter von 14 bis 18 Jahren) nicht mehr in speziellen Kinderschutzeinrichtungen untergebracht, sondern müssen sich in allgemeinen Transitzonen aufhalten. Der Lanzarote-Ausschuss zeigte sich daraufhin sehr besorgt über die Situation und besuchte im Juli 2017 auf Einladung der ungarischen Regierung die beiden Transitzonen in der Nähe der Ortschaften Röszke und Tompa an der ungarischen Südgrenze. Dort werden Minderjährige untergebracht bis eine Entscheidung über ihren Asylantrag getroffen worden ist. Der erste derartige Besuch einer Delegation in der Geschichte des Lanzarote-Ausschusses erwies sich als äußerst sinnvoll und ergab einen umfassenden Überblick über die Lage.

Zum Zeitpunkt des Besuchs im Juli 2017 waren in der Transitzone von Röszke 226 Asylwerber aus Afghanistan, dem Irak, Iran, Syrien, Pakistan und Bangladesch aufhältig. 103 davon waren begleitete Kinder und 19 weitere unbegleitete männliche Jugendliche. In Tompa, der zweiten Transitzone, werden nur Familien und allein reisende Männer aufgenommen.

In der wichtigsten Empfehlung des Berichts heißt es, die ungarischen Behörden mögen den Schutz aller asylwerbenden Kinder gewährleisten, unabhängig von deren Alter, und sie in offenen Kinderschutzeinrichtungen und nicht in allgemeinen Transitzonen unterbringen. Ohnehin handele es sich um eine sehr geringe Zahl von Kindern, die unter die neue Regelung fielen. Die Gefahr sexueller Ausbeutung und sexuellen Missbrauchs würde durch diese Maßnahme für alle asylwerbenden Kinder verringert.

Ein weiterer Anlass für besondere Besorgnis von Seiten der Delegation waren die langen Wartelisten von Asylwerbern, die von Serbien aus nach Ungarn einreisen wollten, sowie die stark beschränkte Abfertigungskapazität in den Transitzonen. Daraus ergibt sich die mögliche Gefahr, dass von asylwerbenden Kindern, vor allem wenn sie unbegleitet sind, sexuelle Gefälligkeiten verlangt werden als Gegenleistung für eine in Aussicht gestellte Vorreihung auf den Wartelisten. Um Korruption im Verein mit sexuellem Missbrauch zu verhindern, ersucht der Lanzarote-Ausschuss die ungarischen Behörden um eine enge Zusammenarbeit mit ihren serbischen Amtskollegen bei der Verwaltung und Erstellung der Wartelisten.

Wie die Delegation in ihrem Bericht festhält, verfügen die meisten asylsuchenden Kinder über keine Ausweispapiere. Die Altersüberprüfung bei diesen Kindern beruhe ausschließlich auf einer kurzen Untersuchung des körperlichen Erscheinungsbildes durch einen Gerichtsmediziner. Die ungarischen Behörden werden deshalb aufgefordert, alternative Methoden der Altersfeststellung anzuwenden und im Zweifelsfall prinzipiell zugunsten des Kindes zu entscheiden, und damit zu verhindern, dass Kinder gemeinsam in Erwachsenengruppen angehalten und somit einem höheren Risiko des sexuellen Missbrauchs ausgesetzt werden.

Der Bericht enthält auch einen Katalog von Maßnahmen, deren Umsetzung durch die ungarische Regierung alle bestellten Vormünder, Sozialarbeiter und sonstigen Mitarbeiter in den Transitzonen in die Lage versetzen soll, ein Vertrauensverhältnis zwischen ihnen und den asylsuchenden Kindern aufzubauen, damit diese eher den Schritt wagen, über erwiesene bzw. mögliche Fälle sexuellen Missbrauchs, auch über solche in der Vergangenheit, Auskunft zu geben. Dazu ist es erforderlich,  dass alle Mitarbeiter, einschließlich der Freiwilligenhelfer, eine Schulung durchlaufen, um sie verstärkt für das konkrete Problem des Schutzes dieser Kinder vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch zu sensibilisieren. Der Bericht der Delegation betont, dass die Beteuerung aller Gesprächspartner während ihres Besuchs, über keine Form sexueller Ausbeutung oder sexuellen Missbrauchs asylsuchender Kinder in den Transitzonen Kenntnis erhalten zu haben, auch dahingehend interpretiert werden könne, dass die Opfer bewusst über derartige Vorfälle geschwiegen hätten.

Schließlich sollten verbesserte Rahmenbedingungen für den Aufenthalt dieser Kinder geschaffen werden. Es solle die Möglichkeit bestehen, Mobiltelefone und das Internet zu nutzen, um im Problemfall auf eine Notrufnummer zugreifen zu können. Die Kinder sollten Zugang haben zu Dolmetschern, ungarischen Sprachkursen und sonstigen Lehrgängen, zu Freizeitaktivitäten und psychologischer Betreuung, sowie zu Telefon-Hotlines und professioneller Hilfe im Falle sexueller Ausbeutung oder sexuellen Missbrauchs. Zur Unterstützung der Kinder, ihrer Familien und des dort tätigen Personals solle künftig eine erhöhte Zahl zivilgesellschaftlicher Organisationen Zugang zu den Transitzonen erhalten. 

Erste Schritte im Sinne des Berichts wurden von den ungarischen Behörden bereits gesetzt, teilte  der Lanzarote-Ausschuss bei seiner Sitzung diese Woche mit.

Alle diesbezüglichen Informationen sowie die Empfehlungen sind auf der entsprechenden Webseite des Lanzarote-Ausschusses zugänglich.

Kontakt: Tatiana Baeva, Pressesprecherin / Presseattachée, Tel. +33 3 88 41 21 41

Lanzarote-Ausschuss Straßburg 2. Februar 2018
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