Eine vom Expertenrat für NGO-Recht der Konferenz der internationalen Nichtregierungsorganisationen (INGOs) des Europarates erstellte Studie zeigt eine gravierende Stigmatisierung von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in ganz Europa. Sie beruht auf 55 Antworten auf einen Fragebogen von NGOs, die in 31 Mitgliedsstaaten des Europarates* und in der Russischen Föderation tätig sind, sowie von zwei internationalen NGOs. Die Umfrage ergab, dass Nichtregierungsorganisationen, die in den Bereichen Menschen- und Minderheitenrechte, als „Watchdogs“ (Korruptionsbekämpfung und Investigativjournalismus) und im Umweltschutz arbeiten, besonders stigmatisiert werden.
Der am häufigsten genannte Ursprung der Stigmatisierung sind Behörden oder hochrangige Politiker der Regierungsparteien, gefolgt von regierungsnahen Medien oder solchen, die auf andere Weise populistische und fremdenfeindliche Ansichten fördern oder vertreten. Eine weitere Quelle seien bestimmte Teile der Öffentlichkeit, darunter jene, die LGBTIQ+-Rechte ablehnen, die nicht empathisch gegenüber Asylsuchenden und Migranten sind, sowie jene, die Vorurteile gegenüber der muslimischen Bevölkerung hegen.
Zu den in der Umfrage genannten Formen der Stigmatisierung gehören gesetzgeberische Maßnahmen, unzureichender Rechtsschutz, Verleumdungskampagnen in den Medien, körperliche Angriffe auf Führungskräfte und Mitglieder von Nichtregierungsorganisationen, eingeschränkter Zugang zu öffentlichen Mitteln und der Ausschluss von der Entscheidungsfindung. Eine der Methoden, die gegen NGOs eingesetzt werden, ist der Missbrauch von Gerichtsverfahren, einschließlich strategischer Klagen gegen öffentliche Beteiligung (sogenannte SLAPP-Klagen). „Besonders besorgniserregend“ ist der Studie zufolge eine Tendenz zur langfristigen Stigmatisierung in mehreren Ländern, trotz eines „soliden Überwachungsmechanismus“, der sowohl vom Europarat als auch von der Europäischen Union eingerichtet wurde. Es sei eine weitere Verstärkung von „robustem Engagement und koordinierten Anstrengungen“ nötig, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken.
Die Studie enthält jedoch auch positive Nachrichten: Nichtregierungsorganisationen begegnen der Stigmatisierung durch Lobbyarbeit, indem sie mit innerstaatlichen und internationalen Interessengruppen in Kontakt treten, sich an unabhängige Institutionen wenden und rechtliche Schritte auf innerstaatlicher und europäischer Ebene einleiten. Obwohl das Ausmaß der Stigmatisierung von Land zu Land unterschiedlich ist und sich laufend entwickelt, stimmen die Ergebnisse mit denen früherer Studien des Expertenrates zu ähnlichen Themen überein und ergänzen diese. Es ist zu hoffen, dass die Studie zusätzliches Licht auf die anhaltende Stigmatisierung bestimmter Arten von Nichtregierungsorganisationen wirft und die Diskussion zwischen den Akteuren in Europa über die Maßnahmen erleichtert, die am besten geeignet sind, um diesem Problem zu begegnen und es abzumildern.
Die Studie hebt hervor, dass die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten des Europarates auf dem Gipfel von Reykjavík 2023 bekräftigt haben, dass „die Zivilgesellschaft eine Voraussetzung für eine funktionierende Demokratie ist“. Sie verweist auch auf die auf dem Gipfel geäußerte Verpflichtung, ein „sicheres und förderliches Umfeld zu unterstützen und aufrechtzuerhalten, in dem die Zivilgesellschaft sowie Menschenrechtsaktivisten frei von Hindernissen, Unsicherheit und Gewalt agieren können“.
[1] Albanien, Aserbaidschan, Bosnien und Herzegowina, Dänemark, Estland, Finnland, Georgien, Griechenland, Irland, Italien, Lettland, Malta, Republik Moldau, Monaco, Montenegro, Nordmazedonien, Norwegen, Österreich, Polen, Schweden, Schweiz, Serbien, Slowakische Republik, Spanien, Rumänien, Tschechische Republik, Türkei, Ukraine, Ungarn, Vereinigtes Königreich und Zypern.