Die Europäische Kommission für Demokratie durch Recht – das als „Venedig-Kommission" bekannte Fachorgan des Europarates für Verfassungsfragen – hat heute ein Gutachten veröffentlicht, in dem an der vierten Änderung des ungarischen Grundgesetzes Kritik geübt wird, aber auch die Ankündigung der ungarischen Regierung begrüßt wird, gewisse Korrekturen vorzunehmen.
Das Gutachten wurde im März dieses Jahres von Generalsekretär Thorbjørn Jagland und der ungarischen Regierung angefordert und stellt fest, dass „durch die vierte Verfassungsänderung die Stellung des Präsidenten des Landesgerichtsamts weiterhin problematisch ist, die Möglichkeiten zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit untergraben und das System konstitutioneller Kontrollmöglichkeiten geschwächt wird."

Gemäß dem heute veröffentlichten Gutachten „ist die vierte Änderung – gemeinsam mit der pauschalen Anwendung grundlegender Gesetze, um das Fortbestehen der Entscheidungen der aktuellen Mehrheit zu sichern – das Ergebnis einer instrumentalisierten Sichtweise der Verfassung als ein politisches Mittel der Regierungsmehrheit und ein Zeichen der Abschaffung der prinzipiellen Unterscheidung zwischen verfassungsgebender und allgemeiner Politik".

Die Venedig-Kommission „begrüßte" jedoch „nachdrücklich" die Antwort der ungarischen Regierung auf den Entwurf des Gutachtens, in der sie ihren Willen zum vollständigen Verzicht auf das System der „Zuweisung von Fällen" ankündigt, das von der Kommission stark kritisiert worden war, da es den Anspruch auf einen gesetzlichen Richter gefährdet. Durch den Verzicht auf dieses System wird eine Zuweisung von Fällen aus Budapest an Gerichte außerhalb der Hauptstadt nicht mehr möglich sein. Das ungarische Parlament wird voraussichtlich im September über diesen Verzicht abstimmen.

Gutachten der Venedig-Kommission (vorläufiger Wortlaut)
Siehe auch: Ungarn im Europarat