In ihrem ersten Bericht über die Umsetzung des Übereinkommens des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt („Istanbul-Konvention“) betont die Expertengruppe für die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (GREVIO), dass das Land seit Langem gegen häusliche Gewalt und andere Formen von Gewalt gegen Frauen mithilfe von politischen Maßnahmen und Gesetzen vorgeht und dabei das Augenmerk auf die geschlechtsspezifische Natur der häuslichen Gewalt legt.
Zahlreiche erfolgversprechende Initiativen wurden gestartet, um das Bewusstsein für verschiedene Formen von Gewalt zu stärken, deren Bandbreite von Zwangsheirat, Verstümmelung weiblicher Genitalien, Gewalt im Internet, sexueller Belästigung (einschließlich Belästigung im öffentlichen Raum) bis zu sexualisierter Gewalt reicht. Eine besondere Zielgruppe sind zudem junge Menschen, damit gesellschaftliche Tabus gebrochen werden und gesunde Intimbeziehungen entstehen, die einvernehmlich sind und auf dem Grundsatz der Gleichheit zwischen Frau und Mann beruhen.
In jüngerer Vergangenheit führte allerdings die Anerkennung des Machtungleichgewichts zwischen Frau und Mann und die daraus resultierende Gefährdung der Frau zu einem stärker geschlechtsneutralen Ansatz. Beispielsweise wird häusliche Gewalt in dem für den Zeitraum 2018 bis 2021 geltenden Aktionsplan „Gewalt hat nirgendwo Platz“ aus geschlechtsneutraler Perspektive betrachtet, wobei Frauen nicht als besonders gefährdete Gruppe genannt werden.
Dem Bericht zufolge bringen geschlechtsneutrale Maßnahmen das Risiko mit sich, dass den Angehörigen relevanter Berufsgruppen die Geschlechterdimension nicht bewusst ist, dass Lücken beim Schutz und bei der Unterstützung von Opfern entstehen und dass der erneuten Viktimisierung von Frauen Vorschub geleistet wird.
Bei der Bereitstellung des Unterstützungsangebots sollte laut dem Bericht eine explizite Geschlechterperspektive berücksichtigt werden. Die Erfahrungen von Frauen als Opfer müssen ebenso anerkannt werden wie die zugrunde liegende, machtbedingte Dynamik von häuslicher Gewalt und Kontrolle, die Abhängigkeit von Frauen von der missbrauchenden Person und die Auswirkungen auf das Sorgerecht für Kinder.