Arabischer Frühling: Gewalt überwinden und Frauenrechte stärken

Die Ermordung des tunesischen Oppositionsführers Chokri Belaïd wurde weltweit als ein Versuch verurteilt, den Demokratisierungsprozess in Tunesien ins Stocken zu bringen. Sie schien ein weiteres Zeichen dafür zu sein, dass die Blüte des Arabischen Frühlings zu verwelken droht.

Ungeachtet der Gewalt gehen die Bemühungen zur Förderung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten in der Region jedoch weiter. Jean-Claude Mignon, Präsident der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE), drückte es so aus: Das Attentat „wird die Entschlossenheit der tunesischen Bevölkerung, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu konsolidieren, nicht schwächen".

Mehrere Initiativen des Europarates finden allein im März dieses Jahres statt und spiegeln diese ungebrochene Entschlossenheit wider.

So trafen sich etwa Mitglieder der Parlamentarischen Versammlung des Europarates in Rabat, um die Fortschritte des Reformprozesses in Marokko zu bewerten; anlässlich der Gründung einer Schule für politische Studien in dieser Stadt veranstaltete der Europarat eine Auftaktkonferenz; ebenfalls in Rabat fand ein Rundtischgespräch der Expertengruppe des Europarates für Drogenpolitik statt, dessen Thema die Entwicklung einer nationalen Drogenbekämpfungsstrategie für Marokko war. In der Tat können die Bedrohungen, die gesellschaftliche Herausforderungen wie Drogenmissbrauch darstellen, in Zeiten des Übergangs noch gefährlicher sein.

In Tunis nahmen Vertreter der Venedig-Kommission des Europarates – eine unabhängige Gruppe von Rechtsexperten, die jährlich vier Plenarsitzungen in der italienischen Stadt abhält – an einem Symposium über die Reformierung und insbesondere die Unabhängigkeit der tunesischen Justiz teil. Mitglieder der Verfassunggebenden Versammlung Tunesiens besprechen im Rahmen regelmäßiger Treffen mit Vertretern der Venedig-Kommission die Fortschritte bei der Ausarbeitung der neuen Verfassung des Landes.

Große Herausforderungen bleiben jedoch zu bewältigen.

Im Arabischen Frühling wurden Diktatoren verjagt und ein demokratischer Reformprozess, etwa die Abhaltung freier Wahlen, eingeleitet. Auch in den Frauen keimte die Zuversicht, dass die Diskriminierung ihnen gegenüber ein Ende hätte. Durch das Erstarken der islamistischen Parteien scheinen diese Hoffnungen jedoch gefährdet.

Im August letzten Jahres demonstrierten tausende Tunesier gegen einen Verfassungsentwurf der islamistisch dominierten Regierung, worin die Frau als „Ergänzung des Mannes" gesehen wurde. Diese Bezeichnung wurde daraufhin gestrichen.

Als Habiba Ghribi bei den Olympischen Spielen 2012 die Silbermedaille im 3000-Meter-Hindernislauf gewann – die erste Olympia-Medaille einer Tunesierin überhaupt –, kritisierten konservative Islamisten ihre Sportkleidung. In der Debatte über die künftige Stellung der Frau in der Gesellschaft kommt also auch dem Sport eine Bedeutung zu.

In der gesamten Region spielen Frauen beim Aufbau einer offeneren und demokratischeren Gesellschaft eine entscheidende Rolle. Journalistinnen sensibilisieren die öffentliche Meinung für bestimmte heikle Themen, indem sie unbequeme Fragen stellen und von den Entscheidungsträgern Rechenschaft verlangen.

Laut Farah Samti, einer jungen Journalistin bei Tunisia Live, die Ende letzten Jahres beim Europarat zu Gast war, sind die Aussichten besser als man glauben mag. „Die Zivilgesellschaft leistet Hervorragendes und setzt die Regierung unter Druck", erklärte sie im März 2013 in einem Telefoninterview. „Dieser ständige Druck der Zivilgesellschaft ist für die Frauen eine echte Beruhigung."

Der Europarat bietet eine Plattform, um für die Stärkung der Rolle der Frau einzutreten, und leistet so seinen Beitrag, dass die Frauenrechte in den Ländern des Arabischen Frühlings nicht von der Tagesordnung verschwinden (siehe unten).

Davon zeugt etwa die jüngste Teilnahme von Simona Granata-Menghini, Vizesekretärin der Venedig-Kommission, an einer Diskussionsveranstaltung unter dem Titel „Frauen in der Politik: ein Erfahrungsaustausch weiblicher Parlamentsabgeordneter aus Marokko, Algerien, Tunesien und Libyen".

Im Laufe des Jahres 2012 arbeitete die Venedig-Kommission, die nach dem Fall der Berliner Mauer eine wichtige Rolle in den neuen Demokratien des früheren Ostblocks spielte, gemeinsam mit den tunesischen und marokkanischen Behörden an der Ausarbeitung der neuen Verfassungen dieser beiden Länder. Der Beitrag der Kommission zum Aufbau demokratischer Institutionen, zur Entwicklung einer gerechten Verfassung und zur Abhaltung freier und fairer Wahlen zog daraufhin das Interesse anderer Länder der Region auf sich, etwa Jordaniens oder Libyens.

Die für April geplante Rede des tunesischen Präsidenten Moncef Marzouki vor der Parlamentarischen Versammlung wird Anlass für eine neuerliche Zwischenbilanz über die jüngsten Entwicklungen des Arabischen Frühlings sein.

Der Europarat setzt seine bisherigen Bemühungen zur Förderung der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit entlang der Grenzen Europas unermüdlich fort. Weitere Informationen sind mithilfe der nachstehenden Links abrufbar.