Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention – Fragen und Antworten
Worum geht es?
Die Europäische Kommission und die 47 Mitgliedsstaaten des Europarates nehmen vom 29. September bis 2. Oktober 2020 in Straßburg die formellen Verhandlungen über den Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) wieder auf.
Was ist die Europäische Menschenrechtskonvention?
Die Europäische Menschenrechtskonvention ist ein im Jahr 1950 vom Europarat unterzeichneter Vertrag zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten.
Der Europarat ist nicht Teil der Europäischen Union. Es handelt sich um eine im Jahr 1949 gegründete, separate internationale Organisation zur Förderung der Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.
Was bedeutet der Beitritt der EU zur EMRK?
Alle 47 Mitgliedsstaaten des Europarates, einschließlich der 27 EU-Länder, sind bereits Vertragsstaaten der Europäischen Menschenrechtskonvention. Dies gilt allerdings nicht für die EU.
Das bedeutet, dass die Rechtsakte der Institutionen, Agenturen und anderen Organe der EU derzeit nicht vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg angefochten werden können.
Außerdem kann eine Einzelperson beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eine Beschwerde gegen einen Mitgliedsstaat der EU einreichen, um eine Maßnahme anzufechten, die zur Umsetzung des EU-Rechts ergriffen wurde, doch die EU selbst darf an einem derartigen Verfahren formell nicht beteiligt sein.
Der Beitritt ermöglicht es der EU, sich an derartigen Rechtsstreitigkeiten und an der Umsetzung der Urteile des Straßburger Gerichtshofs ebenso wie ihre Mitgliedsstaaten zu beteiligen.
Doch vor allem gestattet es der Beitritt der EU zur EMRK, die EU denselben Regeln und demselben internationalen Kontrollsystem im Bereich der Menschenrechte zu unterwerfen wie ihre 27 Mitgliedsstaaten und die 20 weiteren Europaratsländer.
Warum ist der Beitritt der EU zur EMRK wichtig?
Der Beitritt der EU zur EMRK ermöglicht es Einzelpersonen, vor einem unabhängigen internationalen Gerichtshof – dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg – Beschwerden gegen die EU einzureichen.
Gemäß der EMRK ist die EU dann verpflichtet, jede vom Straßburger Gerichtshof festgestellte Verletzung der Menschenrechte zu beheben.
Dies trägt zur Schaffung gleicher Bedingungen auf dem Gebiet der Menschenrechte auf dem gesamten Kontinent bei.
Außerdem kann so die Kohärenz der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Straßburg) und des Europäischen Gerichtshofs (Luxemburg) im Bereich der Menschenrechte gewährleistet werden.
Was ist bisher geschehen?
Im 2009 geschlossenen Vertrag von Lissabon hat sich die EU verpflichtet, der EMRK beizutreten.
Zwischen 2010 und 2013 verhandelten die 47 Mitgliedsstaaten des Europarates umfassend mit der die EU vertretenden Europäischen Kommission.
Im Dezember 2014 urteilte der Europäische Gerichtshof jedoch, dass die erzielte Vereinbarung nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist.
Im Oktober 2019 teilte die Europäische Kommission der Generalsekretärin des Europarates mit, dass die EU zur Wiederaufnahme der Verhandlungen über ihren Beitritt zur EMRK bereit ist.
Anfang 2020 verabschiedete das Ministerkomitee des Europarates ein diesbezügliches Verhandlungsmandat, was dazu führte, dass die Verhandlungen in dieser Woche formell wiederaufgenommen werden konnten.