Unter dem Einfluss der Digitaltechnik vervielfältigt und verstärkt sich die bestehende Ungleichheit zwischen Frauen und Männern. Die coronabedingten Einschränkungen und Ausgangssperren führen zudem zu einer Zunahme von Computerkriminalität, da die Menschen mehr Zeit im Netz verbringen. Dadurch sind Frauen und Mädchen zahlreichen Risiken im Zusammenhang mit sexueller Belästigung (online und technologiegestützt), Nachstellung und geschlechtsspezifischer Computerkriminalität ausgesetzt.
In einer neuen Studie zeigt die international tätige Beraterin Adriane van der Wilk, dass sich die Istanbul- und die Budapest-Konvention auf dynamische Weise ergänzen können: Die Stärke der Istanbul-Konvention liegt darin, dass sie den geschlechtsspezifischen Charakter von Gewalt gegen Frauen anerkennt, während die Budapest-Konvention umfassende Ermittlungsmöglichkeiten vorsieht, um elektronische Beweismittel für im Netz und mittels Informationstechnik begangene Straftaten zu sichern.
Die Istanbul-Konvention bezieht jede Form von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt ein und ist der rechtsverbindliche Menschenrechtsvertrag, der auf diesem Gebiet am ambitioniertesten ist. Sie kann darum besonders nützlich sein, um Online- und technologiegestützte Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen. Die Budapest-Konvention ist der völkerrechtlich bindende Vertrag mit der größten Relevanz im Bereich Computerkriminalität und elektronische Beweismittel und bietet somit das Potenzial, derartige Gewalt gegen Frauen zu verfolgen. Durch mehrere substanzielle Strafrechtsbestimmungen bezieht sich die Budapest-Konvention direkt und indirekt auf bestimmte Arten von Online- und technologiegestützter Gewalt gegen Frauen.
Von sexueller Belästigung im Netz („Cyberflashing“, sexualisierte Verleumdung und Beleidigung, Identitätsdiebstahl zu sexuellen Zwecken, „Doxing“, „Flaming“) bis zu sexueller Belästigung durch Bilder wie „Creepshots“ (sexuell anstößige oder private Bilder, die ohne Zustimmung aufgenommen und im Netz verbreitet werden): Die neue Studie klassifiziert und definiert diverse Formen von Online- und technologiegestützter Gewalt gegen Frauen und bezieht sich insbesondere auf die Artikel 33, 34 und 40 der Istanbul-Konvention und auf die relevanten Bestimmungen der Budapest-Konvention.