Die kroatische Staatsangehörige Neva Tölle, die fast ihr gesamtes Erwachsenenleben dem Schutz von Frauen vor häuslicher Gewalt gewidmet hat, wurde heute mit dem diesjährigen Raoul-Wallenberg-Preis des Europarates ausgezeichnet. Sie erhielt die Auszeichnung in Anerkennung ihrer Pionierleistung, ihres Mutes und ihrer Entschlossenheit, Opfern zu helfen und einen Wandel in der öffentlichen Wahrnehmung, in der Gesetzgebung und in der Politik zur Verhütung und Bekämpfung häuslicher Gewalt einzuleiten und zu fördern. In ihrer Rede bei der feierlichen Überreichung des Preises sagte die Generalsekretärin des Europarates, Marija Pejčinović Burić: „Ein Einsatz wie Ihrer, und ein derartiges Engagement, haben ihren Preis. Ich weiß, dass Sie während all der Jahre Ziel von Drohungen, Einschüchterungen und Behinderungen verschiedenster Art gewesen sind. Aber Sie haben nicht aufgegeben. Ihr Mut und Ihre Entschlossenheit haben Menschen in großer Not geholfen und dazu beigetragen, die öffentliche Meinung zu bewegen und für bessere und gerechte Gesetze zu sorgen. Sie haben im wahrsten Sinne des Wortes Leben gerettet."
Die Jury betonte den Mut, die Entschlossenheit, die Innovation und die Kreativität von Neva Tölle, mit denen sie eine echte und nachhaltige Hilfe für die Opfer häuslicher Gewalt bewirken konnte. Neben der direkten Unterstützung von Opfern hat sie sich auch unermüdlich - und erfolgreich - für die Einführung gesetzlicher Änderungen eingesetzt, darunter die Anerkennung des Verbrechens des Femizids, strengere strafrechtliche Maßnahmen und Änderungen im Sozialhilfegesetz.
Nach der Entgegennahme des Raoul-Wallenberg-Preises erklärte Neva Tölle: „Dieser Preis gilt nicht nur mir, sondern ist auch eine Würdigung jener Frauen, die Gewalt überlebt haben. Sie sind meine Heldinnen und der Ansporn, der mir jeden Tag Kraft gibt. Ich betrachte es als ein Privileg, die Gelegenheit gehabt zu haben, mit ihnen zusammen zu sein, ihre Geschichten zu hören und ihren unglaublichen Mut zu erleben. Dieser Preis ist nicht nur eine Anerkennung für vergangene Bemühungen, sondern er ist auch eine Verpflichtung für die Zukunft. Ich werde auch in Hinkunft für die Menschenrechte der Frauen kämpfen, mich für Gerechtigkeit und Sicherheit einsetzen und gemeinsam mit Ihnen an einer Gesellschaft bauen, in der Gewalt gegen Frauen keinen Platz hat.”
Zu den Rednerinnen und Rednern zählten neben der Generalsekretärin und der Preisträgerin auch der Vorsitzende der Jury, Roderick Liddell, Botschafter Robert Rydberg, Chargé d’affaires a.i. bei der Ständigen Vertretung Schwedens, und Botschafter Harry Rusz, Ständiger Vertreter Ungarns beim Europarat.
Der 17. Januar ist der Jahrestag der Verhaftung Raoul Wallenbergs 1945 in Budapest. Der schwedische Diplomat Raoul Wallenberg nutzte seinen Status, um Zehntausende Jüdinnen und Juden vor dem Holocaust zu retten. Seine Taten zeigen, dass der Mut und die Fähigkeiten einer einzelnen Person tatsächlich etwas bewirken können, und sind eine Inspiration für uns alle, unsere Stimme zu erheben und gegen Verfolgung und Fremdenfeindlichkeit vorzugehen. Sein Schicksal nach seiner Verhaftung bleibt nach wie vor ungeklärt. Im Jahr 2014 hat der Europarat auf Initiative der schwedischen Regierung und des ungarischen Parlaments den Raoul-Wallenberg-Preis ins Leben gerufen, um die Erinnerung an seine Leistungen wachzuhalten. Der mit 10.000 Euro dotierte Preis wird alle zwei Jahre als Anerkennung für außergewöhnliche humanitäre Leistungen einer Einzelperson, einer Personengruppe oder einer Organisation vergeben.
Die bisherigen Preise gingen an den jungen türkischen Regisseur Elmas Arus von der Volksgruppe der Roma (2014), an den Verein Agalià auf der griechischen Insel Lesbos (2016), an das Europäische Zentrum für die Rechte der Roma in Budapest (2018), an die syrische Ärztin Amani Ballour (2020) und an Vincent Raj Arokiasamy, einen Fürsprecher der sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppe der „Unberührbaren” in Indien (2022).
Die Jury setzt sich aus sechs unabhängigen Persönlichkeiten zusammen, bekannt für ihre hohen moralischen Ansprüche im Bereich Menschenrechte und humanitäre Arbeit. Ihre Ernennung erfolgt durch die Generalsekretärin des Europarates, das schwedische Außenministerium, die Stadt Budapest, das Raoul Wallenberg Institut in Lund, den Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) und die Familie Wallenberg.