Parlamentarische Versammlung
Die Parlamentarische Versammlung des Europarates
Die Parlamentarische Versammlung ist eines der zwei im Statut verankerten Organen des Europarates. Sie steht stellvertretend für die wichtigsten politischen Strömungen der Mitgliedstaaten. Vertreterinnen und Vertreter von 47 nationalen Parlamenten unseres Kontinents unterschiedlicher Struktur arbeiten im Rahmen der Versammlung zusammen.
Die Parlamentarische Versammlung
Das „demokratische Gewissen“ Europas
Die Parlamentarische Versammlung des Europarates war die erste ihrer Art in der Geschichte unseres Kontinents. Mit Delegationen aus 47 nationalen Parlamenten ist sie heute die größte europäische Versammlung.
Die Parlamentarische Versammlung bestimmt ihre eigene Tagesordnung und beschäftigt sich mit aktuellen Themen und potentiell relevanten gesellschaftlichen Problemen sowie Fragen der internationalen Politik.
Ihre Beratungen sind in bedeutsamer Weise richtungweisend für die Arbeit des Ministerkomitees und für die zwischenstaatlichen Arbeitsbereiche des Europarats. Die Versammlung nimmt auch insofern Einfluss auf die Regierungen, indem die Mitglieder die Ideen der Versammlung an ihre nationalen Parlamente weitergeben.
Die historischen Ereignisse in Mittel- und Osteuropa nach 1989 gaben der Versammlung die einmalige Chance, zur Integration dieser Länder in den Kreis der europäischen Demokratien beizutragen und zur parlamentarischen Zusammenarbeit zwischen allen Nationen Europas zu ermutigen. Auf diese Weise trägt die Versammlung dazu bei, ein größeres Europa ohne Trennlinien aufzubauen.
So gab der „Sondergaststatus“, den die Parlamentarische Versammlung 1989 schuf, den parlamentarischen Delegationen aus den aufstrebenden pluralistischen Demokratien in Mittel- und Osteuropa, die keine Vollmitglieder der Organisation waren, die Möglichkeit, an den Plenarsitzungen der Versammlung und ihren Ausschusssitzungen teilzunehmen. Diese Kontakte und der damit verbundene Meinungsaustausch trugen dazu bei, den Demokratisierungsprozess in diesen Ländern zu beschleunigen und ihren Beitritt zum Europarat zu ermöglichen.
Beobachterstatus und Sondergaststatus
Die Parlamente von Kanada, Israel und Mexiko haben bei der Parlamentarischen Versammlung einen Beobachterstatus.
Der Sondergaststatus des Parlaments von Weißrussland wurde am 13. Januar 1997 aufgehoben. Das Land ist aber Beitrittskandidat.
Status „Partner für Demokratie“
Struktur und Organisation
Die 318 Mitglieder der Parlamentarischen Versammlung und ihre 318 Stellvertreter werden von den nationalen Parlamenten aus ihren eigenen Reihen heraus gewählt oder benannt. Die Zahl der Vertreter der Mitgliedsländer (zwischen 2 und 18) hängt von der jeweiligen Bevölkerungszahl ab. Das Gleichgewicht der politischen Parteien in jeder nationalen Delegation muss in fairer Weise demjenigen im nationalen Parlament entsprechen.
In der Versammlung gibt es fünf Fraktionen: die Sozialdemokratische (SOC), die Fraktion der Europäischen Volkspartei (EPP/CD), die Europäische Demokratische Fraktion (EDG), die Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE) und die Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken (UEL). Einige Abgeordnete sind fraktionslos.
Die Versammlung hält vierteljährlich eine einwöchige Plenarsitzung im Großen Sitzungssaal des Europa-Palais in Straßburg ab. Die Sitzungen sind öffentlich.
Die Versammlung wählt einen Präsidenten aus den Reihen ihrer Mitglieder, traditionsgemäß für eine Amtszeit von maximal drei aufeinander folgenden Mandaten von einem Jahr. Das Präsidium der Versammlung besteht aus dem Präsidenten, den gegenwärtig 18 Vizepräsidenten und den 5 Fraktionsvorsitzenden.
Die Versammlung wählt auch den Generalsekretär des Europarates, den Stellvertretenden Generalsekretär, den Generalsekretär der Versammlung, die Richter des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und den Menschenrechtskommissar des Europarates.
Die wichtigsten Arbeiten der Parlamentarischen Versammlung werden im Rahmen von Fachausschüssen erledigt.
Monitoring-Verfahren
Nach Beitritt eines Staates zum Europarat beobachtet die Parlamentarische Versammlung, wie die beim Beitritt eingegangenen Verpflichtungen eingehalten werden. Zu diesem Zweck wurde ein spezieller Monitoring-Ausschuss gebildet. Dieser Ausschuss beobachtet zudem, wie Mitgliedsstaaten die Verpflichtungen, die sie nach dem Beitritt eingehen, einhalten.
Einmal im Jahr legt der Monitoring-Ausschuss der Versammlung einen Bericht über die Ergebnisse seiner Tätigkeit vor.
Debatten über Ereignisse in Europa und in der Welt
Auf der Tagesordnung jeder Sitzung stehen Debatten über europäische und internationale Ereignisse, und ganz allgemein über Angelegenheiten, die europaweites Handeln erfordern. Prominente Persönlichkeiten aus der ganzen Welt leisteten dazu ihren Beitrag.
Die Versammlung ist auch ein Diskussionsforum für andere internationale Organisationen wie z.B. die OECD, die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE), die Europäische Weltraumagentur und andere Fachagenturen der Vereinten Nationen.
Die Nicht-Regierungsorganisationen, die so genannten NGOs, nehmen an einer Reihe von Ausschüssen als Beobachter teil und leisten ihren Beitrag zu wichtigen, von der Versammlung organisierten Veranstaltungen.
Die Parlamentarische Versammlung ist besonders im Bereich Schutz der Menschenrechte aktiv. In den vergangenen Jahren nahm sie zu folgenden Themen Entschließungen an: Schaffung des Internationalen Gerichtshofes, der sich mit Kriegsverbrechen beschäftigt, Sekten und neue religiöse Strömungen, Minderheitenrechte, Rechte der Kinder, Lebensbedingungen von Schwulen und Lesben, Schutz von Asylsuchenden, Aids und Menschenrechte, Menschenhandel und andere Formen der sexuellen Ausbeutung von Kindern. Die Parlamentarische Versammlung hat bei der Annahme einer Reihe von Konventionen, Übereinkommen, Entschließungen und Empfehlungen des Ministerkomitees eine wichtige Rolle gespielt. Die Vorschläge der Versammlung hinsichtlich der Abschaffung der Todesstrafe in Friedenszeiten, die Vorschläge zur Europäischen Konvention zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe und die Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten wurden später vom Ministerkomitee geprüft und wurden zu Rechtsdokumenten des Europarates.
Initiativen mit konkreten Erfolgen
Seit 1989 beteiligt sich die Versammlung am Krisenmanagement in Europa. Die Ergebnisse von Besichtigungen vor Ort und laufenden Gesprächen mit den jeweils betroffenen Staaten bildeten häufig die Grundlage für politische Debatten in der Versammlung. Dies hat zur Stärkung der politischen Rolle des Europarats beigetragen.
Die von der Versammlung verabschiedeten Texte geben dem Ministerkomitee, den nationalen Regierungen, Parlamenten und politischen Parteien und anderen Gesellschaftsbereichen wichtige Orientierungshilfen. Ihre Initiativen haben auch zu einer Reihe von internationalen Verträgen (europäischen Konventionen) sowie anderen Rechtsinstrumenten geführt, die die Grundlage für einen wirklich europäischen Rechtsraum bilden. Die bekannteste ist die Europäische Menschenrechtskonvention, die ab 1950 zur Zeichnung aufgelegt wurde. Konventionsentwürfe werden vor ihrer Annahme durch das Ministerkomitee jeweils der Versammlung zur Stellungnahme vorgelegt.
Die Versammlung hält regelmäßig Konferenzen, Kolloquien und öffentliche parlamentarische Anhörungen ab, etwa zu so wichtigen Themen wie Gewalt, Intoleranz, Umwelt, Einwanderung, Drogen, Bioethik und Medien. Diese Anhörungen nehmen die Form eines Dialoges zwischen Parlamentariern und Experten an.