Hoffman gegen Österreich  | 1993

Durchführung von Reformen, nachdem eine Mutter das Sorgerecht für ihre Kinder aufgrund ihrer Religion verlor

… eine Unterscheidung, die im Wesentlichen allein aufgrund eines Unterschieds in der Religion basiert, ist nicht zulässig.

Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, 23. Juni 1993

Hintergrund

Ingrid Hoffmann war eine Zeugin Jehovahs. Als sie und ihr Ehemann sich scheiden ließen, entschied ein Gericht, Ingrid das Sorgerecht für die zwei Kinder des Paares zu übertragen. Das Gericht, das sich auf die Expertenmeinung eines Kinderpsychologen stützte, stellte fest, Ingrid habe eine stärkere emotionale Bindung zu den Kindern und eine Trennung würde emotionalen Schaden verursachen.

Diese Entscheidung wurde jedoch vom Obersten Gericht verworfen. Das Oberste Gericht akzeptierte zwar die Annahme, dass sich in der Regel die Mutter am besten um die junge Kinder kümmern könnte. Das Gericht entschied jedoch, diese Annahme fände keine Anwendung auf diesen Fall, da die Mutter Zeugin Jehovas sei und ihr Glaube schädliche Folgen für das Wohl der Kinder haben könnte. Sie verlor das Sorgerecht für ihre Kinder, das auf den Vater übertragen wurde.

Urteil des EGMR

Der Straßburger Gerichtshof entschied, die Entscheidung, Ingrid das Sorgerecht für ihre Kinder zu verweigern, sei mit ihrer Religion begründet worden, und diese unterschiedliche Behandlung sei unzulässig. Die Entscheidung sei diskriminierend und ohne ordentliche Begründung erfolgt und stelle eine Verletzung von Ingrids Rechten dar.

Nachbereitung

Die österreichische Regierung ergriff Maßnahmen, um sicherzustellen, dass sich diese Verletzung nicht wiederholen würde, indem sie ein Dekret über das Urteil des Straßburger Gerichtshofs für die zuständigen Behörden erließ. Das Urteil war auch Gegenstand einer umfassenden Studie durch österreichische Familienrichter.

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