Soares de Melo gegen Portugal 2016

Mutter gewinnt Rechtsstreit um die Rückgabe ihrer Kinder

Nach vier Jahren großen Leids war es ein großer Glücksmoment für die Kinder und die Eltern.

Maria Clotilde Almeida, eine von Melos Anwältinnen, zitiert auf Publico (auf Portugiesisch)

Hintergrund

Im Jahr 2012 ordnete ein portugiesisches Familiengericht die Freigabe zur Adoption von sieben der zehn Kinder von Liliana Melo an. Der Richter untersagte Melo jeglichen Kontakt zu ihnen.

Melos Kinder bedeuteten ihr sehr viel. Sie erklärte, dass sie sie liebte und nicht misshandelte.

Doch nach Auffassung des Gerichts war Melo nicht in der Lage, eine Mutter zu sein. Sie habe ihre Kinder vernachlässigt, sie nicht sauber gehalten und nicht für sie gesorgt.

Soziale Einrichtungen hatten seit einigen Jahren Bedenken im Hinblick auf die Familie. Melo zog die Kinder faktisch alleine groß, weil ihr Vater meistens abwesend war.

Bei einem Besuch stellten Fachkräfte für soziale Arbeit fest, dass ihre Wohnung schmutzig war und es wegen unbezahlter Rechnungen weder fließendes Wasser noch Strom gab. Sie waren der Ansicht, dass die Eltern im Rahmen eines Kinderschutzplans die Situation nicht verbesserten.

Später aktualisierten die Behörden den Plan und forderten, dass Melo sich sterilisieren lässt. Sie weigerte sich, dies zu tun, was ihr später vor Gericht vorgehalten wurde.

Melo und ihr Ehemann fochten weiter die Entscheidung des Familiengerichts an und erklärten, dass das Wohl ihrer Kinder dadurch gefährdet sei. Allerdings waren ihre Berufungen schließlich erfolglos.

Zu dem Zeitpunkt, als der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sein Urteil erließ, war noch immer eine Anfechtungsklage der Eltern in Portugal anhängig, darunter eine Beschwerde, dass sie während des Verfahrens, das zur Adoptionsanordnung führte, anfangs keine Rechtsvertretung hatten.

Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte

Der Europäische Gerichtshof befand, dass Portugal durch seine Entscheidung, die Kinder zur Adoption freizugeben und Melo den Kontakt zu ihnen zu untersagen, gegen ihr Recht auf Familienleben verstoßen hat.

Das portugiesische Familiengericht habe auch gegen Melos Rechte verstoßen, weil ihre Weigerung, sich sterilisieren zu lassen, sich negativ auswirkte.

Der Europäische Gerichtshof stellte fest, dass Melo zudem die Beteiligung an der Entscheidung darüber, was mit ihren Kindern geschehen wird, verwehrt wurde, insbesondere weil sie anfangs keine Rechtsvertretung hatte.

Der Gerichtshof erwähnte besonders, dass es in der Familie weder Gewalt noch Missbrauch gab und eine starke Bindung zwischen Melo und ihren Kindern bestand. Unter anderem hob er die Untätigkeit der Behörden in Bezug auf die Unterstützung der Familie in ihrer finanziellen Notlage hervor.

Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass die [portugiesischen] Behörden konkrete Maßnahmen hätten ergreifen müssen, um es den Kindern zu ermöglichen, bei ihrer Mutter zu leben, bevor … ein Adoptionsverfahren eröffnet wird.

Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, Mai 2016

Folgemaßnahmen

Noch bevor der Europäische Gerichtshof sein Urteil in Melos Fall erließ, forderte er Portugal im Februar 2015 dazu auf, Maßnahmen zu ergreifen, damit sie ihre Kinder sehen kann. Nach fast drei Jahren, in denen sie von ihnen getrennt war, konnte Melo mit wöchentlichen Besuchen beginnen.

Im April 2016 hob Portugals Verfassungsgericht die ursprüngliche Entscheidung von 2012 zur Adoptionsanordnung auf, weil Melo und ihr Ehemann anfangs keine Rechtsvertretung hatten, was gemäß dem portugiesischen Gesetz nicht zulässig war.

Ihr Fall ging an das Familiengericht zurück, das einen Plan ausarbeitete, um die Kinder wieder mit ihrer Mutter zu vereinen. Im September 2016 erzielte das Gericht eine Übereinkunft mit den Eltern, nach der Melo die Kinder unter bestimmten Bedingungen zurückgegeben wurden.

Weitere Informationen

Themes:

Ähnliche Beispiele

Kampf einer Mutter um das Leben ihres Kindes führt zu besseren Leitlinien zur elterlichen Einwilligung in Behandlungen

Ärzte glaubten, dass David Glass im Sterben lag – doch seine Mutter, Carol Glass, war anderer Ansicht. Der Europäische Gerichtshof urteilte, dass die britischen Gesundheitsbehörden eine gerichtliche Genehmigung hätten einholen müssen, bevor sie bei David eine Behandlung durchführten, in die Glass nicht eingewilligt hatte. Das Urteil führte dazu, dass das Vereinigte Königreich seine Leitlinien...

Read more

Reformen, nachdem Behörden wegen Armut der Eltern deren Kinder in Obhut nahmen

Die fünf Kinder von Emílie Wallová und Jaroslav Walla wurden mit der Begründung, die Eltern hätten keine ausreichenden Mittel, um diese zu versorgen, von den Behörden aus der Familie genommen. Der Straßburger Gerichtshof entschied, die Inobhutnahme der Kinder unter diesen Umständen habe das Recht der Eltern auf Familienleben verletzt. Neue Gesetze verbieten die Inobhutnahme von Kindern allein...

Read more