Šulcas gegen Litauen  | 2010

Unangemessene Verfahrensdauer führt zu Reformen, um Zugang zum Recht zu beschleunigen

Jede Person hat ein Recht auf ein faires und öffentliches Verfahren innerhalb einer angemessenen Frist.

Auszug aus Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention

Hintergrund

In zahlreichen Fällen, die dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vorgelegt wurden, beschwerten sich die Beschwerdeführer über eine überlange Verfahrensdauer in Litauen.

Eine dieser Beschwerden wurde von dem Geschäftsmann Donatas Šulcas eingereicht. Als Herr Šulcas in einen Rechtsstreit involviert war, benötigten die litauischen Gerichte acht Jahre und neun Monate, um ein abschließendes Urteil zu fällen.

Urteil des EGMR

Der Gerichtshof entschied, es seien zahlreiche Verzögerungen durch Fehler oder Untätigkeit der litauischen Behörden entstanden. Allgemein sei die Verfahrensdauer überlang gewesen. Dies habe das Recht von Herrn Šulcas, in angemessener Frist Zugang zu einem Gericht zu erhalten, verletzt. Der Gerichtshof stellte des Weiteren fest, dass laut litauischem Recht zu dieser Zeit Herr Šulcas kein wirksamer Rechtsbehelf für diese Verzögerung zur Verfügung stand.

Eines der größten juristischen Probleme in Litauen, das in den Jahren in Straßburg immer wieder aufgetaucht ist, ist die Länge von Verfahren auf nationaler Ebene, die nach Feststellung von Verletzungen in vielen Fällen durch den Straßburger Gerichtshof schließlich behoben wurde, und Beschwerdeführen steht nun in Litauen ein wirksamer Rechtsbehelf zur Verfügung, um bei überlanger Verfahrensdauer eine Entschädigung zu fordern.

Danutė Jočienė, Richterin des litauischen Verfassungsgerichts, ehemalige Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, in „The Impact of the ECHR on Democratic Change in Central and Eastern Europe”

Nachbereitung

Beim Straßburger Gerichtshof verhandelte Fälle identifizierten eine unangemessene Verfahrensdauer im gesamten litauischen Justizsystem bei Zivil-, Straf- und Verwaltungsverfahren.

Im Zeitraum 2010 bis 2014 wurde eine Reihe signifikanter und umfassender Reformen durchgeführt, um einen fristgerechten Zugang zum Recht an litauischen Gerichten sicherzustellen. Diese schlossen Änderungen der Strafprozessordnung, der Zivilprozessordnung und des Gesetzes über Verwaltungsverfahren ein.

Diese Änderungen führten zu einer deutlichen Verkürzung der Verfahrensdauer. Bis 2013 betrug die durchschnittliche Verfahrensdauer weit weniger als zwei Jahre.

Es wurde außerdem ein Entschädigungsverfahren bei unangemessenen Verzögerungen eingeführt, das der Straßburger Gerichtshof 2013 als wirksam anerkannte.

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