Winterwerp gegen Niederlande  | 1979

Willkürliche Unterbringung in einer Psychiatrie führt zu Reformen zum Schutz der Freiheit

Jede Person hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit.

Eröffnungssatz von Artikel 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention - © Foto Jan Suijs

Hintergrund

1968 wurde Frits Winterwerp in eine psychiatrische Klinik gebracht. Örtliche Gerichte hatten seine Unterbringung angeordnet, und für die gesamten 1970er Jahre verlängerten sie jährlich diese Anordnung, um sicherzustellen, dass er die Klinik nicht verlassen konnte. Als Herr Winterwerp eingewiesen wurde, hatte er automatisch die Kontrolle über sein Geld und sein Vermögen verloren.

Herr Winterwerp bestand darauf, nicht psychisch krank zu sein, keine Gefahr für sich oder Dritte zu sein und er nicht in einer Einrichtung eingesperrt werden sollte. Er stellte vier Anträge auf Entlassung, die alle abgelehnt wurden.

Herr Winterwerp argumentierte, man habe ihm verweigert, seinen Fall vor Gericht zu bringen, und man habe seine Unterbringung immer wieder verlängert, ohne seine Einwände anzuhören.

Urteil des EGMR

Der Straßburger Gerichtshof entschied, dass, obwohl die Behörden eine Person mit einer psychischen Erkrankung einweisen könnten, die Person das Recht haben muss, die Entscheidungen vor einem Gericht anzufechten. Sie muss des Weiteren die Gelegenheit erhalten, von einem Gericht gehört und von einem Anwalt vertreten zu werden.

Herrn Winterwerp sei aber wiederholt die Genehmigung verweigert worden, seinen Fall vor Gericht zu bringen und zu erläutern, warum er entlassen werden sollte. Es gab auch keinen gesetzlichen Vertreter, der vor den niederländischen Gerichten seinen Fall für ihn habe vertreten können. Tatsächlich sei ihm niemals mitgeteilt worden, wenn es ein Verfahren gab oder was deren Ergebnisse waren.

Aus diesem Grund, und auch wenn es gerichtliche Überprüfungen der Einweisung von Herrn Winterwerp gegeben habe, sei er vollständig daran gehindert worden, sich für seine Entlassung einzusetzen. Dies habe sein Recht auf Freiheit und sein Recht auf ein faires Verfahren verletzt.

Nachbereitung

1980 trat eine neue Gesetzgebung in Kraft. Sie fordert, dass in allen Fällen einer unfreiwilligen Einweisung in eine psychiatrische Klinik der Patient das Recht haben muss, angehört zu werden, wenn ein Gericht verhandelt, ob der Patient weiterhin in der Klinik verbleiben soll.

Auch das Gesetz wurde geändert, so dass Patienten, die unfreiwillig in eine psychiatrische Klinik eingewiesen werden, nicht mehr automatisch die Kontrolle über ihr Vermögen verlieren.

Herr Winterwerp wurde aus der Psychiatrie entlassen, um während seiner Wiedereingliederung in die Gesellschaft in einem Wohnheim zu leben.

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